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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Dervis.“
    „Feri, du musst mit diesem Jungen aufpassen. Er hat so einiges im Schädel.“
    Dervis ließ sich nicht einschüchtern. Er wandte sich direkt an Gábor.
    „Das Feuer hat die wilden Tiere ferngehalten“, sagte er und zählte mit den Fingern auf, welche. „Höhlenlöwen. Höhlenbären. Wollnashörner. Jedes davon konnte vorbeikommen.“
    „Mammuts.“
    „Ein Mammut wirst du mit einem Lagerfeuer bestimmt nicht aufhalten.“
    „Wieso? Das ist auch nur ein Tier.“
    „Das Wollnashorn auch nicht.“
    „Auf einmal soll nur einer reden. Was sagst du?“
    „Dass es auch nur ein Tier ist.“
    „Welches jetzt?“
    „Das Mammut.“
    „Und das Wollnashorn.“
    „Und der Säbelzahntiger?“
    „Den Säbelzahntiger können wir ruhig vergessen“, sagte Gábor. „Das war eine evolutionäre Sackgasse. Er ist ausgestorben, weil er zu lange Zähne hatte. Er konnte nur Aas fressen und am Ende nicht einmal mehr das, Verzeihung, darauf müssen wir jetzt wirklich nicht weiter eingehen.“
    „Ich sage doch, dass er Ahnung hat.“
    „Bleiben wir bei den kleineren Tieren.“
    „Wärest du mit einem Wolf einverstanden, Gábor?“
    „Wie wäre es mit einem Blaufuchs?“
    „Weißt du, was für eine Angst dir ein Blaufuchs einjagen würde, wenn du nur seine Augen im Dunkeln aufblitzen sehen würdest?“
    „Die Frage war, warum man gerne raucht.“
    „Weil du mit dem Feuer die Tiere fernhältst. Unsere Vorfahren haben zehntausend Jahre neben dem Feuer gesessen. Das hat sich eingeprägt.“
    „Das werden wohl sogar hunderttausend gewesen sein.“
    „Warum man sich gerne eine Zigarette anzündet, darum geht es doch.“
    „Das hatten wir schon.“
    „Das Anzünden der Zigarette ist die Erinnerung ans Feuerschlagen und das Rauchen die ans Sitzen am Feuer. Deshalb macht man es so gerne.“
    „Wieso ist noch keiner hier?“
    „Weil der Ball erst in zweieinhalb Stunden beginnt“, sagte Gábor.
    „Und warum sind wir dann hier?“
    „Warum ihr hier seid, das weiß ich nicht“, sagte Gyuri Keszi. „Ich bin hier, weil ich keine Familie mehr habe. Keine Frau. Mein Kind werde ich auch nicht mehr sehen.“
    Alle sahen ihn teilnahmsvoll an. Scheidung ist etwas, das jeder irgendwann mal hinter sich bringen muss. Das dachten sie, sagten es jedoch nicht, da man den Scherz höchstens einmal machen konnte. Gyuris Frau war mit ihrem Freund aufs Land gezogen und hatte nur ihre Stimme in der Bibliothek gelassen:
    Bitte, beenden Sie die Lektüre!
    Ócsai kam lieber auf ein allgemeineres Thema zu sprechen.
    „Also, ich glaube eigentlich an Archetypen“, sagte er.
    „An die muss man nicht glauben“, sagte Dervis.
    „Doch, doch, Herr Dervis“, erwiderte Gábor. „Man muss an sie glauben. Etwas anderes kann man mit ihnen nämlich nicht anfangen, da es sie gar nicht gibt.“
    „Sag ruhig Du zu mir, Gábor, bringen wir das hinter uns. Und woher zum Teufel willst du wissen, dass wir über keine Archetypen verfügen, denn ich zum Beispiel verfüge über welche. Ich habe manchmal Träume, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“
    „Das sind Träume …“
    „Wieso ist es so“, sagte Dervis mit neuem Elan, „dass wir hier in Budapest sitzen und in uns das große Nichts herrscht …?“
    Er warf einen Blick in die Runde, um zu sehen, ob jemand das bisher Gesagte bestritt. Es gab niemanden.
    „Und was macht im Gegensatz zu uns der Ureinwohner Neuguineas? Ich meine den Ureinwohner von heute? Er sitzt im Busch und sein Kopf ist voller Magie. Wie es bei all seinen Vorfahren war.“
    „Bei unseren Vorfahren war es auch so.“
    „Genau das ist der Punkt, Gábor. Dass auch die Köpfe deiner Vorfahren voller Magie waren, mit Ausnahme deines Vaters.“
    „Das stimmt“, sagte Gábor grinsend, denn er stellte sich seinen Vater vor.
    „Und vielleicht noch deines Großvaters. Aber dein Urgroßvater ist sicherlich noch Bauer gewesen. Habe ich recht? Wieso haben gerade diese paar Generationen so ein Pech, nichts im Kopf zu haben?“
    „Zielt deine Frage darauf ab, weshalb wir nicht lieber Urmenschen geblieben sind?“
    Dervis nickte.
    „Schau dir doch die Eskimos an. Für sie ist das, was sie in ihrem Kopf haben, eine perfekte Wirklichkeit. Haben sie es nicht besser? Wieso kommen die Eskimos nicht aus dem Norden herunter? Oder die Ureinwohner Australiens, wieso kommen sie nicht hierher? Weil sie sich dort wohlfühlen, wo sie leben. Und sich damit wohlfühlen, was sie denken.“
    „Aber warum sind sie dorthin gegangen?“
    „Die

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