Liebe Unbekannte (German Edition)
Wohnung ihrer Eltern in der Tűzoltó Straße schlafen gehen. Die Großeltern würden ebenfalls dort übernachten. Die Eltern würden mit dem Mitternachtszug nach Zagreb fahren. Am nächsten Morgen würde Onkel Olbach Emma in die Bibliothek mitnehmen. Das wäre der erste Tag nach der Sommerpause, daher würde viel los sein. Der Großvater würde mit seiner Enkelin schön durchs gesamte Gebäude spazieren, sie überall herumzeigen, ihr im Bibliothekscafé einen Kakao spendieren, sie von allen bestaunen lassen, wie groß, hübsch und klug sie geworden sei. Dabei würde er bei Gelegenheit dem einen oder anderen zuraunen, dass sein Sohn an dem Tag nach Jugoslawien fahre, die Eltern dies jedoch vor Emma verheimlichten, weil es doch überflüssig wäre, die Kleine wegen einer zweiwöchigen Reise zu beunruhigen. Die Bibliotheksmitarbeiter würden verständnisvoll nicken oder zumindest so tun, als würden sie Onkel Olbach das glauben, was dieser natürlich so gar nicht aussprechen würde: Von Auswanderung könne hier gar nicht die Rede sein.
Für den Nachmittag wäre dann ein Ausflug zum János-Berg geplant: Die Großeltern und Emma würden mit der Zahnradbahn zum Szabadság-Berg fahren, von dort mit der Pioniereisenbahn zum János-Berg, um zum Aussichtsturm hinaufzusteigen, danach würden sie nach Hause fahren. Genauer gesagt, gar nicht nach Hause, sondern nach Nyék – ja, meine Kleine, du wirst heute in Nyék übernachten. Das würde erst eine Überraschung sein!
Das würde ein wunderschöner, ereignisreicher Tag für Emma werden, sie liebte die Bibliothek, die Bibliotheksleute, den János-Berg, aber am allermeisten liebte sie es, wenn sie bei ihren Großeltern in Nyék übernachten durfte. Sie würde die Abwesenheit ihrer Eltern kaum bemerken. Zwei Wochen in Nyék! Und dann würde sie in die Schule gehen. Und in der Zwischenzeit … nun ja, irgendwann in diesen zwei Wochen würden Mara und er ihr erklären, dass ihre Eltern für eine etwas längere Zeit verreist seien.
Dies war also der Plan, den Onkel Olbach mithilfe des Zauberschnapses verraten wollte, obgleich er ahnte, dass er es am Ende sowieso nicht übers Herz bringen würde.
Dann kam der Tag des Festes, an dem man im Aufenthaltsraum der Bibliothek (damals noch im Gebäude in der Sándor-Bródy-Straße) vor dem Fernseher mit Zauberschnaps gemeinsam die Mondbezwingung feierte.
„Trost!“, brummte Onkel Olbach abends um neun, sieben Stunden bevor Neil Armstrong den Fuß auf den Mond setzte.
Die Gesellschaft, die auch
Ältestenrat
genannt wurde, bestand aus auserwählten Mitarbeitern des Instituts für Herausgabe von Enzyklopädien (IHE) – (scheuen wir uns nicht vor dem Wort: Enzyklopädisten): allen voran Onkel Olbach, den
Großen
, das waren drei ältere Philologen, genauer gesagt, mit Onkel Olbach vier. Vollmitglied war weiterhin Doki, dessen Monate aber bereits gezählt waren, weshalb ich ihn auch vor Tante Gizella erwähne. Tante Gizella war „Mann“ und Enzyklopädist honoris causa. Von ihr wusste Onkel Olbach, dass in der Bibliothek Wetten über die Rückkehr von Iván und seiner Frau abgeschlossen wurden. Auf Gizella war Tante Mara übrigens eifersüchtig, und es schnürte ihr das Herz zusammen, als sie ihren Mann zu der Männergaudi überredete, denn sie wusste, dass Gizella auf jeden Fall dabei sein würde. Der verhältnismäßig junge Ervin Gál, Onkel Olbachs Schützling und Biograf, war ebenfalls Mitglied und Onkel Öcsi, der Pförtner, den fernzuhalten – schließlich ging es um Alkohol – unmöglich gewesen wäre. Und nicht zuletzt gehörte auch der stellvertretende Leiter des IHE, Péter Patai, dem
Ältestenrat
an. Er hatte den Status des Beobachters.
Die Nacht der Mondlandung war wie alle anderen Nächte. Die Sonne ging am Abend unter und am nächsten Morgen wieder auf, genauso wie stets zuvor. Das bestätigte Onkel Olbachs Standpunkt, der mit der Weltraumforschung grundsätzlich nicht einverstanden war und die Mondlandung als verfrüht erachtete.
Das Fest uferte bald aus. Der Lauteste von allen war wie immer Patai: Diese verdammte Hure (sprich der Mond), bekomme nur, was sie verdiene. Die anderen lachten, sogar Tante Gizella, dabei mied in ihrer Anwesenheit sonst sogar Patai vulgäre Ausdrücke.
Doki teilte Ervin Gál feierlich mit, die Entwicklung der Menschheit sei, sollte es sie jemals gegeben haben, am heutigen Tag stehen geblieben, deshalb könne Ervin Gál von der Weiterübersetzung des russischen Science-Fiction-Romans, von
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