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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Ödnis. Ein eremitischer Spekulant. Ein heiliger Mensch, der darauf spekuliere, dass einmal, so wie es der Lauf der Dinge verlange, ein paar Männer mit besorgten Mienen aus der Stadt bei ihm vorbeikommen und ihm sagen würden, in der Stadt gäbe es große Schwierigkeiten und ihn, den heiligen Menschen, bitten würden, sich an ihre Spitze zu stellen, weil er der Einzige sei, der hier noch helfen könne. Und dann würde er sich an ihre Spitze stellen, denn eigentlich war er ja deshalb in die Ödnis hinausgezogen, um sich eines Tages an die Spitze einer Gruppe von Männern mit besorgten Mienen zu stellen. Es gab schon immer heilige Menschen dieser Art. Onkel Olbach und Tante Mara kannten nicht nur einen. (Um ganz ehrlich zu sein, hätte sogar Onkel Olbach überlegt, sich an die Spitze der Männer mit den besorgten Mienen zu stellen, wenn sie gekommen wären, um ihn aus seiner Ödnis zu holen – zum Glück kamen sie jedoch nie.)
    Also darauf wartete Patai. Oder auf etwas anderes. Eines war sicher: Er wartete. Böse (aber noch nicht einmal die bösesten) Zungen behaupteten, er warte einfach nur darauf, dass seine Frau endlich starb. Seine Frau war Alkoholikerin und hatte eine schlimme Vergangenheit. Patai erzählte mit Vorliebe Widerlichkeiten über sie und genoss es, den Abscheu der Bibliotheksleute und der Enzyklopädisten zu beobachten. Aber was konnte man machen, Patai war nun einmal in der Bibliothek und pflegte eine schöne Männerfreundschaft mit Onkel Olbach, der diese zähneknirschend erwiderte, und da die beiden sich sogar erlaubten, sich miteinander anzulegen, könnte man ihr Verhältnis sogar als ein ziemlich ehrliches bezeichnen, das nur von den vielen Geheimnissen, die sie voreinander hatten, überschattet wurde.
    Onkel Olbach argwöhnte, Patai wolle schlicht und einfach sein Lebenswerk stehlen. Wenn man aber ein Lebenswerk stehlen kann, dachte er wütend, dann sollte man das auch tun. Natürlich freute er sich nicht darüber, dass man ihm sein Lebenswerk stehlen wollte, aber er war schon längst an so etwas gewöhnt. Sein Hauptwerk war bereits seit dreißig Jahren nicht herausgegeben worden, und mit der Zeit hatten sich viele daraus bedient (als Entschädigung hatte er den Kossuth-Preis bekommen und eine Ausgabe in gekürzter Fassung wurde gedruckt).
    Und dann kam das Gottesurteil.
    Es war weit nach Mitternacht, als sich Onkel Ol-bach, seinem geheimen Plan gemäß, in die Mitte des Raumes stellte und vor dem
Ältestenrat
folgende Ansprache hielt:
    „Meine lieben Freunde … ich bitte euch … wenn ihr es ermürglichen … erwürglichen könnt, dann, ja, dann … solltet ihr … an dem Tag! Genau an dem Tag … denn vier Wochen sind eine lange Zeit … vor allem, wenn es um Jahre geht … weil … über die Jahre stellt sich auch immer etwas heraus … was ja auch verständlich ist … kurz, es soll einen Ausflug geben … wir wollen ausfliegen, in den Wald … damit die Trennung … nicht so … endgültig … deshalb müssen wir ja auch miteinander reden … bei Gelegenheit, sobald … natürlich nicht jetzt … aber in den nächsten Wochen unbedingt … und dann werden wir uns darum kümmern … um diese Schweinerei …“
    Der
Ältestenrat
grinste hämisch. „Natürlich, mein lieber Bandi, ganz gewiss, das ist doch selbstverständlich.“ Zu dieser späten Stunde bestand der
Ältestenrat
allerdings nur noch aus Patai, da Tante Gizella und die
Großen
schon längst nach Hause gegangen waren, Doki auf der Toilette schlief und Onkel Öcsi und Ervin Gál Arm in Arm nach vorn und nach hinten schwankten, formal gesehen immerhin in aufrechter Position.
    Am nächsten Vormittag erkundigte sich Patai in seiner unvergleichlichen Art bei Onkel Olbach, was zum traurigen Pferdeschniedel er in der vergangenen Nacht eigentlich habe sagen wollen. Onkel Olbach zerbrach sich den brummenden Schädel darüber, was er wohl gesagt haben mochte: Er wird doch nicht wirklich seinen Sohn verraten haben? Dann hätte er nämlich seine Ehre endgültig verspielt, und diesmal sogar vor Mara. Zusammen mit der Zukunft seiner Familie. Er murmelte etwas vor sich hin, wie: „Ach nichts, gar nichts …“ Er wusste jedoch, dass Patai nicht leicht vergaß, und es gut möglich war, dass er sich an jedes Wort genau erinnerte und ihn nur verunsichern wollte.
    „Du, ich muss gestehen, dass ich mich an nichts erinnere.“
    „Du hast von einem Ausflug in den Wald gesprochen“, sagte Patai grinsend. „Wenn ich dich in diesem Fall mit dem

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