Liebe Unbekannte (German Edition)
geheiratet hatte. Und das wusste jeder über sie. Ervin Gáls Frau, diese „Redakteurin: Frau Márta Gál“, hatte Ervin Gál geheiratet, obwohl sie all das über ihn wusste, den Wurm, das Hecheln, die düsteren Geschichten, die vielleicht nicht einmal stimmten, aber das war es, was man über Ervin Gál munkelte, und sie heiratete ihn trotzdem, da sie von ihrem ersten Mann wegen ihres Schweißgeruchs verlassen worden war. All das konnte Mutter nicht wissen, sie wollte nur ihre Verlegenheit überwinden, weil sie wusste, dass sie jetzt ihre Frau stehen musste, schließlich ging es um die Aufnahmeprüfung ihrer Tochter, sie konnte es sich nicht erlauben, aufzuspringen und mit glühendem Gesicht hinauszurennen, wie im Juni 1956 in der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Loránd Eötvös. Woher hätte sie auch etwas über die Ehe der Gáls wissen sollen, sie hatte ja nicht einmal eine Ahnung, was eine unglückliche Ehe war, dabei dachte sie, sie lebe in einer, wo sie doch in einer Liebesehe lebte.
6.
PRYZK UND GRIEGA
Von Onkel Olbachs Zauberobstler wusste jeder in der Korvin Bibliothek, dass dieses außergewöhnliche Getränk bei Bedarf – für eine kurze Zeit – selbst den mutigsten Mann in einen feigen, rückgratlosen Schwächling verwandeln konnte, und der Schnaps Onkel Olbach daher schon häufiger aus offenbar völlig aussichtslosen Situationen gerettet hatte.
In Onkel Olbachs Anwesenheit sprachen die Bibliotheksleute diese respektlose Vermutung jedoch nie aus, sondern zwinkerten sich lediglich zu, wenn dieser den Zauberschnaps hervorholte. „Trost!“, sagte er mit ernster Miene, als er mit ihnen anstieß und dachte, sie machten sich über diesen alten Wortwitz lustig. Und das störte ihn nicht. Er hielt es für durchaus natürlich, dass sich die Angestellten hin und wieder ein wenig über ihren Chef mokierten, was jedoch nichts daran änderte, dass sie von ihm diesen trockenen Trinkspruch erwarteten. So dachte er. Er brannte in seinem Haus in Nyék bereits seit vielen Jahrzehnten diesen Zauberschnaps, und seitdem er nach den
Gesetzwidrigkeiten
rehabilitiert, wieder an die Spitze der Staatlichen Korvin Bibliothek zurückgekehrt und nach einer Weile sogar zum Leiter des Instituts für die Herausgabe von Enzyklopädien (IHE) der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie ernannt worden war, brachte er jedes Jahr am 17. Juli, seinem Namenstag, eine Flasche davon in die Bibliothek mit. An diesem Tag versammelte sich stets der sogenannte Ältestenrat, um auf sein Wohl anzustoßen. Und Onkel Olbach sagte stets: „Trost!“
Auch im 1969. Jahr des Herren geschah ungefähr das Gleiche, aber doch ein bisschen anders: Denn dieses war ein außergewöhnliches und bedeutsames Jahr, über das später Erstaunliches offenkundig wurde. Natürlich wird über jedes Jahr im Nachhinein so manches Erstaunliche offenkundig, aber was das Jahr 1969 betrifft, schien es wirklich eine lange Zeit, dass es ein unschuldiges und klares Jahr war, mit einem Haupt- und zahlreichen Nebenereignissen. Die Endre-Namenstagsfeier wurde in der Bibliothek um einige Tage verschoben und zusammen mit dem Hauptereignis des Jahres, der Feier zu Ehren der Mondlandung, veranstaltet. Die Nacht des 20. Juli eignete sich ohnehin besser für eine kleine Zusammenkunft als der Endre-Tag, da an diesem Tag die einmonatige Sommerpause begann, und am Abend das gesamte Gebäude leer sein würde.
Dieser Sommer, der Sommer des endgültigen Zerfalls der Familie Olbach, nahm auch Tante Mara sehr mit. Sie konnte einfach nicht mit ansehen, dass ihr Mann derart am Boden zerstört war.
„Trommel alle zusammen“, sagte sie zu Onkel Ol-bach. „Trommel sie für die ganze Nacht zusammen. Nimm ausnahmsweise zwei Flaschen Obstler mit, und ich werde euch etwas backen. Amüsiert euch ein bisschen. Sag ihnen, es wird eine Männergaudi.“
„Männergaudi“, sagte Onkel Olbach und verzog den Mund. „Eine Männergaudi? In unserem biblischen Alter?“
Aber der Gedanke hatte sich bei ihm festgesetzt, und die Feier kam zustande. Was Onkel Olbach mit dieser Feier wirklich beabsichtigte, wusste jedoch nicht einmal Tante Mara, da er seinen niederträchtigen Plan sogar vor ihr verheimlichte. Aus purer Verzweiflung hatte er nämlich einen wilden Plan für diesen Abend entworfen und wusste sehr wohl, dass Tante Mara versuchen würde, ihn davon abzubringen. Und er würde nachgeben. Das wollte er aber nicht. Deshalb stellte er für diesen Anlass ganz geheim drei Flaschen
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