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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Ende glaubt er noch selbst, krank zu sein. Aber lass mich jetzt mal weitererzählen … Du fragst dich bestimmt, warum András Patai mich aufgesucht hat. Was wird er wohl damit im Sinn gehabt haben?“
    „Ich weiß nicht. Ich verstehe die Sache immer noch nicht ganz.“
    „Was verstehst du nicht?“
    „Es gibt also einen großen, gemeinsamen Familien-Patai.“
    „Das könnte man so sagen.“
    „Das ist der Ältere.“
    „Ja.“
    „Also ist der Ältere auch der, den jeder Krizsán … hat?“
    „Wie meinst du das?“
    „Na ja … Hat deshalb jeder Krizsán einen eigenen Patai? Denn es gibt ja diesen einen Patai, den Älteren. Der noch lebt. Ist also nur er der gemeinsame Familien-Patai? … Oder nicht nur er? Gibt es vielleicht noch jemand anderen?“
    „Du musst dich schon klarer ausdrücken.“
    „Ich will wissen, ob … jeder Krizsán einen eigenen Patai hat oder ob es nur einen einzigen großen, gemeinsamen Patai gibt, der allen gehört?“
    „Ah, ich verstehe. Hör zu und halt dich fest: Jeder Krizsán verfügt über einen ureigenen Patai.“
    „Also neben dem allgemeinen Patai.“
    „So ist es. Neben dem allgemeinen, obligaten Patai.“
    „Und welcher ist dein ureigener Patai? Der Ältere?“
    „Ich speziell habe gleich zwei Patais. An mich wurden sie großzügig verteilt.“
    „Und welchen hat Vater?“
    „Keinen. Zumindest nicht direkt.“
    „Wie: Nicht direkt?“
    „So, dass er sie alle durch mich kannte.“
    „Also indirekt.“
    „Genau.“
    „Vater hat also gar keinen eigenen Patai? Er hat nur indirekt einen?“
    „Und ob er einen hat. Zumindest hatte.“
    „Und welcher war das?“
    „Keiner der beiden.“
    Ich war kurz davor zu kapitulieren.
    „Gab es noch einen Dritten? War das Tihamér, oder wer?“
    „Tihamér verschwand bei Kursk. Damals war dein Vater sieben Jahre alt.“
    „Ich geb’s auf.“
    Onkel Lajos lachte.
    „Du kommst nicht drauf, stimmt’s?“
    „Gab es noch einen vierten Patai?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Streng genommen hatte dein Vater gar keinen Patai … Aber bevor du mir etwas an den Kopf schleuderst, verrate ich es dir. Dein Vater hatte eine Frau Patai. Zur Abwechslung. Lange vor deiner Mutter. Erzählen brauchst du es ihr trotzdem nicht.“
    Jetzt war ich wirklich überrascht.
    „Doch nicht etwa Klárika?“
    „Ach, was! Die Frau des Jüngeren. Mimi. Du weißt also auch von Klárika?“
    „Nur zufällig. Welcher war der
Don Juan
?“
    „Der Ältere.“
    „Und der Jüngere …? Im Gefangenenlager …?“
    „Der Jüngere wollte es immer treiben. Aber der Ältere trieb es. Er hatte wesentlich mehr Frauen als sein Bruder.“
    Seit einer geraumen Weile war aus der Wohnung kein Schreibmaschinengeklapper mehr zu hören.
    „Wer hatte weniger Frauen?“, rief Tante Judit heraus.
    „Niemand“, rief Onkel Lajos ihr zu. „Steck die Ohrenstöpsel wieder hinein.“
    „Guten Tag“, rief ich ihr nun zu. Dadurch hatte ich mein Inkognito aufgegeben, woraufhin Onkel Lajos abwinkte; nun hatte ich jede Chance auf ein Gespräch vertan.
    „Merkst du was?“, flüsterte er mir zu. „Sie lauscht. Wir können uns hier über sonst etwas unterhalten, das interessiert sie nicht, sobald es jedoch darum geht, wer mit wem und wie oft, hört sie alles.“
    „Tomilein, mein Liebling, du bist es also?“, fragte Tante Judit und stand schon auf dem Balkon. „Ich habe doch gehört, dass jemand hier ist. Aber weißt du, wenn ich arbeite, sehe ich nichts, höre ich nichts, weil ich diese Dinger in den Ohren stecken habe … Schau mal, ich habe eine Ausrüstung wie ein Rennpferd.“
    „Sie hat eine Ausrüstung wie ein Rennpferd“, bekräftigte Onkel Lajos.
    „Onkel Lajos, sei nicht gemein, du hast doch auch so etwas. Onkel Lajos hat auch so eine Ausrüstung. Das hilft einem, sich zu konzentrieren. Zeig es Tomilein.“
    Tante Judit zeigte mir eine hübsche Damenmütze, an der an deren Seiten Scheuklappen angenäht waren. Diese trug sie beim Tippen. Es waren auch zwei Ohrenstöpsel angenäht. Sie hingen jetzt herunter. Onkel Lajos zeigte mir folgsam seine eigene Mütze, die aussah wie die von Tante Judit, nur viel größer und männlicher.
    „So leben wir also“, fügte er hinzu. „Mit Ohrenstöpseln.“
    Ein dunkler Schatten huschte ihm übers Gesicht. Mir ging zum ersten Mal die Idee durch den Kopf, dass ich mich ja einmal auch richtig mit ihm unterhalten könnte.
    „Das ist Onkel Lajos’ Erfindung“, sagte Tante Judit stolz. „Und ich habe sie genäht. Man

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