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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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meinem unerwarteten Hereinschneien, ein gemeinsames Ziel. Oder Vater hatte einen geheimen Plan, für den er mich benutzte. Ja, wahrscheinlich schloss Onkel Lajos nicht einmal die Möglichkeit aus, dass ich mit Patai irgendeine Art Bündnis eingegangen war, alt genug sei ich dazu schließlich schon: Dieser verfluchte Halunke habe es bestimmt auf mich abgesehen!
    „Natürlich hat er von ihm erzählt!“, sagte ich rasch, um endlich auf den Anlass meines Besuchs zu kommen. Das hatte ich eigentlich schon fünf Minuten vorher, gleich nachdem Onkel Lajos mich zur Tür hereingelassen hatte, tun wollen: Vater habe mich losgeschickt, um zum Belgrad-Kai zu fahren und ihm die Nachricht über Patais Auftauchen zu bringen. Onkel Lajos hatte mich jedoch nicht zu Wort kommen lassen. Er fragte mich nach Vater aus, nach Mutter, nach seiner geliebten Freundin, Erika und dem Baby und natürlich wollte er wie immer wissen, wie es dem Kater ging.
    Ja
und
nein
waren die einzigen Antworten, die ich geben konnte, während er mich schnell und leise durch die Wohnung auf den Balkon schob, auf einen Stuhl drückte, kurz die außenpolitische Lage skizzierte und unerwartet – wie durch Zufall – András Patai erwähnte. Na, das läuft ja wie am Schnürchen, dachte ich zufrieden, mal sehen, was jetzt kommt. Ich lehnte mich bequem zurück, nun konnte das Märchen beginnen – und daraufhin schaute er mich mit dem durchdringenden Blick an: Ob ich nicht zufällig etwas sagen wolle? Mist. Vater war mir offenbar von Nyék aus mit einem Anruf zuvorgekommen, hatte Onkel Lajos gewarnt, dass ich auf dem Weg zu ihm sei, woraufhin mir dieser eine Falle stellte: Er kam wie durch Zufall auf das Thema
Patai
zu sprechen, ohne dass ich diesen Namen ausgesprochen hatte und wollte sehen, wie ich reagierte. Es war nicht nett von Vater, mich Onkel Lajos’ Argwohn auszuliefern, obgleich er nur Gutes im Sinn hatte: Er wollte vermeiden, dass es zu Missverständnissen kam.
    „Klar doch, er hat mir von Patai erzählt“, sprudelte es also aus mir heraus; ich sagte die Wahrheit, aber vergebens, meine Stimme klang unaufrichtig. „Es ist nämlich so …“
    „Rede nicht um den heißen Brei herum. Was willst du von ihm, wenn ich erfahren darf?“
    „Ich will nichts. Überhaupt nichts …“
    „Habe ich etwa einen Riss in der Birne, Tomi, mein Guter?“
    „Ich nehme an, nein“, sagte ich leicht verunsichert, und das war eine gute Antwort. Angemessen spontan und frech. Wenn auch eher zufällig.
    „Aber du verzichtest darauf, es in Augenschein zu nehmen“, sagte er grinsend. „Gute Antwort. Also, was willst du von Patai?“
    „Die Sache ist die“, sagte ich, „an der Hochschule wird ein Kerl namens Patai die Vorlesungen in Dings … Philosophie halten. Und Vater meint, dieser Patai sei bestimmt
der
Patai. Ich bin mir da aber nicht so sicher. Hat er dich etwa angerufen?“
    „Dein Vater? Und ob!“, antwortete Onkel Lajos. „Schön, ich sehe, du bist auch nicht auf den Kopf gefallen. Ja, er hat angerufen. Er hat sich dazu durchgerungen. Seinen Ekel überwunden und mich angerufen.“
    Ich wollte gegen den Ausdruck
Ekel
protestieren. Vater
überwand seinen Ekel
zweimal in der Woche, bei jedem Wetter lief er zur Telefonzelle, um seinen Bruder anzurufen. Selbst in den Zeiten, in denen sie
offiziell
nicht miteinander sprachen. Onkel Lajos winkte jedoch ab und fiel mir ins Wort.
    „Wie ist der Vorname von deinem Patai?“
    „Péter.“
    „Hm. Ja, so einen Patai gibt es auch“, sagte Onkel Lajos. Er spielte mit mir. Er wusste genau um wen es ging, sein Argwohn mir gegenüber war jedoch noch nicht ganz verflogen. „Ja, was heißt, so einen auch. Den gibt es erst recht!“
    „Aber du hast doch von András gesprochen, nicht?“
    „Ursprünglich gab es András, Péter, Tihamér und so weiter. Es war eine fruchtbare Familie.“
    „Ich habe Vater auch gesagt, dass das wahrscheinlich nicht der Patai ist. Aber er beharrte darauf.“
    „Das ist so eine Angewohnheit von ihm“, sagte Onkel Lajos. „Er ist von misstrauischer Natur und wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man es ihm nicht mehr ausreden. Also hast du nun auch einen Patai.“
    „Na, das wäre zu viel gesagt“, erwiderte ich bescheiden.
    „Nein, auf keinen Fall! Jeder erwachsene, männliche Krizsán hat einen Patai. Merk dir das gut. Also, ich spreche jetzt von dem jüngeren Bruder deines Patais. Wir haben uns im Kriegsgefangenenlager in Ingolstadt kennengelernt. Er war ein ganz

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