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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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den entsprechenden Stellen von dieser Liste erfahre. Und ich solle keine Angst haben, ich sei nicht der Einzige, dem er Bescheid gegeben habe. Ja, in gewissen Fällen könne es mir sogar Schutz bieten, dass ich davon wisse … Am Ende sah es irgendwie so aus, als müsste ich ihm noch dankbar sein, dass er bei mir vorbeigekommen war … Kurz und gut, ich habe ihm kein Wort geglaubt. Ich nehme an, die Operation gelang, denn ein halbes Jahr später hörte ich, dass man ihn zum Botschafter irgendeines südamerikanischen Landes ernannt hatte. Und dort biss er dann plötzlich ins Gras.“
    „Er ist gestorben?“, fragte ich verwundert.
    „Also, die Leiche habe ich nicht gesehen, aber ich kenne ihn so gut, um zu wissen: Draufgehabt hat er es.“
    „Wurde er ermordet?“
    „Nun, ich würde nicht so weit gehen, das zu behaupten. Ich erzähle dir nur die Fakten. Und Fakt ist, dass er den Löffel abgegeben hat. Ich habe sogar seine Todesanzeige gelesen.“
    „Na, dann ist das schon mal nicht mein Patai.“
    „Nein, ist er nicht. Deiner ist der andere. Sein Bruder. Vorausgesetzt, du erhebst Anspruch auf einen eigenen Patai.“
    „Das tue ich“, sagte ich mit einem Grinsen. „Wie viele Patais gibt es denn nun eigentlich?“
    „Lebende? Einen auf jeden Fall.“
    „Péter.“
    „Genau. Auf den du eben Anspruch erhoben hast.“
    „Ja, aber ich will dich nicht des letzten Patais berauben.“
    „Ich danke dir“, erwiderte er lachend. „Ich wusste schon immer, dass du ein guter Junge bist.“
    Jetzt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ich auch über einen eigenen Patai verfügte, sah mich Onkel Lajos mit ganz anderen Augen. Er sprach in einer Art kameradschaftlichem Zynismus mit mir, so, wie sich eben zwei erwachsene, männliche Krizsáns unterhalten. Ich kam in Schwung, nahm allmählich sein Tempo an.
    „Weißt du was?“, fragte er. „Du bekommst ihn von mir, soll er dir gute Dienste erweisen, nur sag mir vor seinem Begräbnis Bescheid, da möchte ich dabei sein.“
    Wir lachten wie Verbündete, wodurch ich mich in die Irre führen ließ und nicht merkte, dass ich mich auf unsicheren Boden begeben hatte.
    „Aber welcher war dein richtiger Patai? Dieser oder András?“
    „Was meinst du mit
richtiger
?“
    „Na, der gewisse“, redete ich um den heißen Brei herum.
    „Welcher gewisse?“, fragte er und tat, als verstünde er mich nicht. Er war wieder misstrauisch geworden.
    „Na, der, der damals … der es begangen hat …“
    „Beide haben es begangen. Und nicht nur einmal. Daran konnte man sie am besten erkennen. So oft sich ihnen die Möglichkeit bot, begingen sie es. Das liegt in der Familie. Sie begehen es leidenschaftlich gerne. Was willst du wissen?“
    „Ich meine diese gewisse Geschichte … als er gegen dich … damals …“
    Plötzlich sah ich mich vor dem Problem stehen, vor dem ich seit Jahren Angst hatte: Ich wusste nicht, was Patai gegen Onkel Lajos verbrochen hatte. Und durch ihn gegen unsere Familie. Ich hatte keine Ahnung.
    „Na ja, wer von den beiden … gegen dich …“
    „Deiner.“
    „Also der Ältere.“
    „Genau. Aber wenn der Jüngere nichts anderes gegen mich verbrochen hätte, als mir seinen Bruder vorzustellen, hätte das allein schon gereicht.“
    „Er hat ihn dir vorgestellt?“
    „Ja. Später entschuldigte er sich mehrmals dafür, denn die beiden mochten einander auch nicht.“
    „Also war der Ältere der größere Schurke?“
    „Nein, der Jüngere. Bleiben wir sachlich.“
    „Aber der, der … das gegen dich verbrochen hat, war der Ältere?“
    „Ja. Das war dein Patai.“
    „Also ist er
der
Patai?“
    „Welcher Patai?“
    „
Der gewisse
Patai.“
    „Welcher gewisse Patai?“
    „Der große, gemeinsame Familien-Patai. Den auch Vater gemeint hat.“
    „Genau, das ist er“, antwortete Onkel Lajos lachend. „Der große, gemeinsame Familien-Patai.“
    Ihm gefiel die Formulierung. Ich war jetzt wirklich in Form.
    „Wenn Vater also von Patai spricht, meint er diesen Patai? Den Älteren?“
    „Meistens.“
    „Nicht immer?“
    „Nicht unbedingt. Er kann auch einen anderen meinen.“
    „András?“
    „Zum Beispiel András.“
    „Aber auch jemand anderen?“
    „Wie ich deinen Vater kenne, kann er damit auch vieles andere meinen. Eigentlich fast alles. Übrigens“, sagte er plötzlich ernst, „mache ich mir Sorgen um deinen Vater. Er hat sich in letzter Zeit sehr gehen lassen. Die Invalidenrente war eine blöde Idee von euch. Das ist nichts für ihn, am

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