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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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schließlich erwies sich diese Lösung jedoch als tragbar, weil Gerda gleich am Anfang die Grundregeln festlegte: Sie würde die Wohnung aufräumen, putzen und für alle kochen. Das sei keine Verhandlungsfrage. Onkel Lajos und Tante Judit fiel es schwer, das zu akzeptieren, weil sie sich dadurch wie Mummelgreise fühlten, aber sie duldeten Gerdas Fürsorge heldenhaft, da sie intelligent genug waren, um zu wissen, dass Gerda zu den Menschen gehörte, die niemandem gerne etwas schuldig bleiben. Gleichzeitig kam in ihnen auch der Verdacht auf, Gerda wolle bewusst unselbstständige alte Leute aus ihnen machen, spekuliere also auf ihren Tod. Darüber, dass Gerda sich eigentlich ihre Wohnung unter den Nagel reißen wolle, sprachen sie stets nur unter sich, sie ließen sie diesen Verdacht nie spüren, weil sie in Wirklichkeit wussten, dass sie beinah schon selbstgefährdend ehrlich war.
    Dennoch spürte Gerda, dass man ihr nicht voll und ganz vertraute und zu Hause in Nyék beschwerte sie sich auch manchmal darüber, aber Vater sagte daraufhin immer, für Onkel Lajos und Tante Judit sei das immer noch die beste Lösung, weil sie sich gerade wegen des Argwohns nicht gehen lassen würden, was sonst zu befürchten wäre. Wenn Gerda nicht bei ihnen wohnen würde, würden sie sich zu sehr in Sicherheit fühlen und sich mit der Rente zufriedengeben. Dabei gebe es in Ungarn, so sehr das von offizieller Seite auch geleugnet würde, eine versteckte Inflation, wodurch der Wert der Renten immer geringer würde. So wollten die beiden Gerda jedoch beweisen, dass sie durchaus aktiv seien, deshalb nehme Tante Judit Tipparbeiten an, und deshalb habe Onkel Lajos seinen Gewerbeausweis noch nicht zurückgegeben, nur die Werkstatt in der Mária Straße aufgelöst. Man solle ihnen den Argwohn lassen, so lange sei alles in Ordnung. Wenn die Lage jedoch unerträglich würde, könne Gerda jederzeit nach Hause ziehen.
    So kam es, dass Gerda seit vielen Jahren vorübergehend bei den beiden wohnte, wobei sie sich am liebsten ein eigenes Zimmer gemietet hätte, was sie aus Angst, die beiden zu kränken, nicht tat. Mutter wollte sie auch nicht kränken, denn sie hätte ja auch nach Nyék zurückziehen können. Das wollte sie jedoch nicht, denn es war unmöglich, abends nach zehn nach Nyék zu gelangen. Die Lösung wäre gewesen, dass Gerda endlich einen berühmten Mann geheiratet hätte. Tante Judit investierte viel Energie in den Plan, Gerda mit einem berühmten Mann zu verheiraten, was Gerda zuließ, weil es im Grunde das war, was auch sie wollte, mit dem Unterschied, dass sie berühmt sein, aber vorerst noch nicht heiraten wollte. Eines war sicher: Beide Pläne erforderten, dass man sichtbar war. Und Gerda war sichtbar. Man sah sie jahrelang an verschiedenen Orten. Es lag auf der Hand, dass diese Orte in erster Linie Theater waren. Diese besuchte sie gemeinsam mit Tante Judit. Und man sah sie. Vor allem im
Operettentheater
und dem Kabarett
Mikroskop Bühne
. Onkel Lajos war mit dieser Lösung sehr zufrieden, endlich musste nicht mehr er die Theaterabonnements nutzen, die Tante Judit jedes Jahr kaufte, da sie beinah Schauspielerin geworden wäre.
    Onkel Lajos legte den Hörer auf, und im selben Moment klingelte das Telefon wieder. Er nahm den Hörer wieder ab, und seine Miene erhellte sich.
    „Hallo, Bruderherz“, flüsterte er begeistert. „Ich will nicht brüllen, sie tippt … Ja, klar, er ist auch da. Wir unterhalten uns … Natürlich über das Thema … Entspann dich, er wird schon rechtzeitig wieder im Lager sein. Ich weiß zwar nicht, in was für einem Lager, das habt ihr mir ja nicht auf die Nase gebunden, aber keine Sorge, er wird rechtzeitig wieder da sein. Nein, ich werde ihm kein Loch in den Bauch reden … Ich weiß, dass es keine Anschuldigung war, aber ich habe es deiner Stimme entnehmen können … Du bist derjenige, der auf den Nuancen herumreitet, ich habe nur gesagt, dass er rechtzeitig wieder im Lager sein wird, wenn es für ihn wichtig ist, rechtzeitig wieder in dem Lager zu sein, über das er bis jetzt kein Sterbenswörtchen gesagt hat. Aber es wird wohl ein sehr wichtiges Lager sein, wenn ein so großes Geheimnis darum gemacht wird.“
    Dabei warf mir Onkel Lajos einen strengen Blick zu. Ich bedeutete ihm, ich würde ihn aufklären, sobald er aufgelegt haben würde. Er sprach inzwischen wieder etwas leiser weiter.
    „Gut, dann eben kein Geheimnis. Es hätte mich nur interessiert … Kein Thema fürs Telefon, na klar!

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