Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
Vom Netzwerk:
sie trug ein langes Kleid unter ihrer wasserdichten Jacke. In ihrem Aufzug sah sie aus, dachte Bec, wie eine junge chassidische Jüdin. Vor ihnen sah sie die Brüder im Gespräch, Dougie bemüht, Erasmus zu bändigen. Sie sah Alex’ Hände hochkommen und in der Luft einen Kreis beschreiben und seinen Mund auf- und zugehen.
    »Und die menschliche Zelle ist wie eine Welt in sich …« , untertitelte sie.
    »Ich hab dich und Onkel Alex gestern Nacht gesehen«, sagte Rose, ohne Bec anzuschauen, die Taschen ausgestellt von den geballten Fäusten.
    »So?«, sagte Bec. »Ich dachte mir doch, ich hätte jemand reinkommen hören.«
    »Ich hab versehentlich die falsche Tür aufgemacht. Hast du denn gar keine Angst, dass du in die Hölle kommst?« Rose wandte sich ihr zu. Ihre Augen waren ganz schmal vor Erregung.
    »Warum sollte ich in die Hölle kommen?«, sagte Bec.
    »Weil du mit Onkel Alex Unzucht treibst.« Rose blieb stehen und sah sie an. Sie hatte etwas bewusst Provozierendes. »Ich weiß schon, warum du und Onkel Alex zusammen seid«, sagte sie. »Ihr bildet euch ein, es gibt kein Gut und Böse, immer heißt es: ›Ach, es kommt ganz drauf an, wie man es sieht‹ , bla bla bla. Ich verstehe nicht, wie das geht, dass ihr so lange schon durchkommt in der Welt, ohne Schwierigkeiten zu kriegen. Der Teufel muss etwas Schreckliches für euch vorgesehen haben.«
    »Es gibt keinen Teufel«, sagte Bec.
    »Ha! Ich hab ihn gesehen.«
    »Tatsächlich?«
    »Im Traum, meine ich«, sagte Rose hastig, als hätte sie behauptet, jemand Prominentes persönlich zu kennen, und müsste sich dafür entschuldigen. »Er ist so groß wie ein Haus, mit Augen wie rote Ampeln und Krallen wie Messer und einem Halsband aus Kinderschädeln.« Ihre Augen waren starr nach vorn gerichtet, und die Worte flossen ihr von den Lippen. »Das ist die einzige Möglichkeit, die Leute daran zu hindern, dass sie sündigen und böse sind und Unfrieden stiften. Sie sind zu gierig und fies, um zu tun, was Gott von ihnen will, wenn sie keine Angst vor der Hölle haben. Ihr solltet euch fürchten. Wenn ihr sterbt und in die Hölle kommt, dann schneiden sie euch die Finger und Zehen einzeln ab, und sie ziehen euch mit einem rostigen Messer die Haut vom Leib, und sie tauchen euch in einen See aus kochendem Salz –«
    »Rose, hör auf!«, sagte Bec, legte ihr die Hände auf die Schultern und schüttelte sie leicht. Rose verstummte und stapfte weiter den Weg entlang, Kopf und Schultern gesenkt. Bec ging neben ihr und versuchte, sich zu erinnern, ob sie mit sechzehn auf ihre Mutter gehört hatte. Und wenn nicht, was bedeutete dann »Kinder erziehen « ?
    »Jedenfalls hast du ausgiebig hingeguckt«, sagte sie. »Muss ein interessanter Anblick gewesen sein.«
    »Er ist viel älter als du«, sagte Rose ausweichend.
    »Findest du sieben Jahre viel?«
    »Jaaa!«, sagte Rose und zog den Vokal über drei Töne, hoch-tief-hoch. Sie war kurz vergnügt und dann gleich wieder bedrückt. »Warum wollen sie das einem immer in den Mund stecken?«
    »Gute Frage«, sagte Bec. »Und warum lassen wir sie?«
    »Wir wollen, dass sie glücklich sind«, sagte Rose leise und fragte Bec schnell, wann ihr erstes Mal war.
    »Ich war vierzehn, und er war siebzehn«, sagte Bec. »Ich habe mich eines Nachts auf einer Weide in Spanien von ihm ausziehen lassen. Er sagte ständig, er würde mir was zeigen, bis ich dann splitternackt dastand und immer noch darauf wartete. Er war nicht gerade der Hellste. Ich glaube, was er mir zeigen wollte, war meine eigene Nacktheit, weil er sie so gern sehen wollte. Es ist ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich ihn nackt sehen wollen könnte. Es war ein ziemliches Gemurkel. Es passierte halt. Es war ein erstes Mal .« Sie wartete und sagte dann: »Und bei dir?«
    Rose ließ nicht erkennen, dass sie eine Antwort auf die Frage in Erwägung zog. »Schade, dass du und Onkel Alex in alle Ewigkeit in der Hölle braten werdet«, sagte sie. »Wenn ihr bereuen und Jesus als euren Heiland annehmen würdet, kämt ihr vielleicht noch mal davon.«
    »Wo hast du so reden gelernt?«
    »Im Bibelcamp«, sagte Rose. Sie blieb stehen, beugte sich dicht zu Bec herüber und flüsterte: »Ich hab einen Freund, aber das darfst du niemand sagen.« Sie fasste Bec am Unterarm, riss die Augen auf und zischte durch die Zähne: »Das musst du versprechen.«
    Vor ihnen schaute Dougie hinter einem Baum hervor, winkte, zeigte auf etwas und verschwand. Im nächsten Moment preschte Erasmus los

Weitere Kostenlose Bücher