Liebe und andere Parasiten
Ritchie. »Aber ich bin nicht hier, um über die Arbeit zu reden. Ich wollte dir sagen, ich finde, dass du sehr tapfer bist und dass wir das gemeinsam durchstehen werden, und sobald die Ärzte –«
»Die Therapeuten«, sagte Midge.
Was machen sie hier eigentlich mit einem?, dachte Ritchie. »Sobald die Therapeuten ihre Sache gemacht haben, setzen wir uns zusammen und beschließen den nächsten Schritt.«
»Du willst mich schassen«, sagte Lazz.
»Ritchie hat recht«, sagte Midge. »Das Einzige, was heute zählt, ist, dass du wieder auf die Füße kommst.«
»Hat er’s dir erzählt?«, sagte Lazz zu Ritchie.
»Ich habe gesagt, er soll dich fragen«, sagte Midge. Er fuhr sich mit dem Zeigefinger rasch über die Oberlippe, vor und zurück.
»Midge wollte, dass ich einen Kumpel verpfeife«, sagte Lazz.
»Ich habe gesagt, es gibt Alternativen«, sagte Midge und hob den Finger. »Ich wäre ein schlechter Agent, wenn ich dir nicht sagen würde, dass es Alternativen gibt.«
»Jemand Bestimmten?«, fragte Ritchie.
»Mein Opa war in Korea in Gefangenschaft«, sagte Lazz. »Die Kommunisten haben ihn nicht kleingekriegt.«
Der Pfleger, wenn er denn einer war, rief Lazz, und Lazz drehte sich gehorsam um und verließ den Raum. Ritchie und Midge traten in die Tür, winkten und versprachen, sie würden an ihn denken und bald wiederkommen.
»Er wird nie mehr im Kinderfernsehen arbeiten«, sagte Ritchie.
Midge steckte die Hände in die Taschen und bewegte mit der Schuhspitze einen Kieselstein im Kreis. »Jedem wird eines Tages vergeben«, sagte er.
»Wenn du ihm geraten hast, jemand anders zu verpfeifen, wieso warst du dir sicher, dass er dich nicht verpfeift?«
»Ich bin nicht so berühmt wie Lazz«, sagte Midge. Er sah Ritchie an und grinste. »Oder wie du. Außerdem bin ich immer brav gewesen.«
»Nicht in Chiang Mai.«
»Keine Ahnung, wovon du da redest, Mann. Du weißt, dass man in Thailand mit fünfzehn ehemündig ist?«
»Versteh mich nicht falsch, Midge. Ich würde dich nie …«
»Bestimmt nicht. Ich dich auch nicht. Aber du würdest mir nie verraten, ob du den MF -Anruf bekommen hast. Ob sie dir einen von diesen Codes gegeben haben.« Midge stockte, als wartete er darauf, dass Ritchie etwas sagte, und fuhr fort: »Weißt du, was sie dir bieten, wenn du ihnen was über jemand anders gibst, das sie verwerten können? Zwanzig Jahre Immunität. Sie hinterlegen eine Bescheinigung bei einem Notar, in deinem Namen, worin sie sich verpflichten, zwanzig Jahre lang keine Informationen öffentlich zu machen, die deinem Ansehen in der Gesellschaft schaden könnten. Sie haben uns alle. Keiner traut dem andern. Und wenn irgendwo jemand mit blütenweißer Weste und makellosem Ruf rumläuft, dann denkt niemand, der Bescheid weiß: Was für ein toller Typ. Alle denken: Mit wessen Denunziation hat er sich seinen Seelenfrieden erkauft?«
Eine Frau kam vom Tor auf sie zugeschritten, die Hände in den Manteltaschen und die Kapuze überm Kopf. Sie bewegte sich schlendernd wie eine müßige Spaziergängerin, doch sie trat auf sie zu und stellte sich als Jane von der BBC vor.
»Corporate Affairs«, sagte sie. Das Sirren des Golfwagens, der Lazz fortbrachte, war verklungen, und ihre Stimme ertönte in absoluter Stille. Es schockierte Ritchie, wie jung sie war. Keine fünfunddreißig, schätzte er. Sie trug eine Brille mit dickem schwarzem Rand und hatte mitten auf der Wange einen großen verkrusteten Pickel. Ihr fehlendes Make-up, fand Ritchie, zeugte von Respektlosigkeit. Weiter hinten im Park krächzte eine Krähe, und als ob aus ihrer Kehle kalte, feuchte Luft gekommen wäre, schien beiden Männern die Temperatur zu sinken, und sie gingen von sich aus wieder ins Gebäude.
Midge begann, für Lazz einen Rückweg in den Beruf zu skizzieren, und in einem der Jutesessel sitzend, hörte Jane ihm zu, bis ihm unter ihrem Blick die Worte ausgingen und er zu reden aufhörte.
»Wenn ich richtig verstehe, machen sie einen hier gesund«, sagte Jane. »Sie machen einen nicht anständig. Ich weiß nicht genau, wo man heutzutage so eine Therapie bekommen könnte.« Sie blickte von einem Mann zum anderen, und im spiegelnden Licht wurden ihre Brillengläser zu hellen, kalten Quadraten, die ihre Augen verbargen. »Das Unternehmen verzeiht es nicht, wenn attraktive junge Prominente in der Nähe von Kindern harte Drogen nehmen. Ist das ungerechtfertigt, Ritchie?«
»Natürlich nicht«, sagte Ritchie.
»Wie dem auch sei«, sagte Midge.
»Es
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