Liebe und andere Parasiten
Charme aus, folgten eine halbe Stunde lang einem Feldweg am Rand eines Ackers und gelangten über einen Zaun und durch Brennnesseln und Bärenklau auf eine Wiese an einem tiefen grünen Fluss. Die langsame Strömung grub unter einem Dach aus Weidenzweigen einen endlosen Wirbel in die Wasseroberfläche.
Dougie fragte Alex, wo er seine Angel gelassen habe, und als Alex sagte, er habe keine, konnte Dougie es nicht fassen.
»Ich habe dich gefragt, ob du mit angeln kommst, nicht mit reden«, sagte er.
»Ich dachte, du wolltest es mir beibringen.«
»Aye, das wäre mal was Neues, dass ich dir was beibringe.«
Alex schlug das Zelt auf und verstaute ihre Sachen, während Dougie auf einem kleinen Gaskocher Wasser aus dem Fluss kochte und Tee machte. Dougie montierte seine Angel, beköderte die Leine, warf sie aus und bezog am Flussufer auf einem winzigen Klappstuhl Posten.
»Was jetzt?«, sagte Alex.
Dougie schüttelte den Kopf. Alex steckte die Hände in die Taschen. Dougie sank auf dem Klappstuhl zusammen und rührte sich nicht. Alex ging mit einem Buch ins Zelt und las dreißig Seiten. Er schaute zum Zelt hinaus. Sein Bruder saß noch in genau derselben Haltung da.
»Ich gehe spazieren«, sagte Alex. Dougie sah ihn an und nickte. Alex ging stromaufwärts. Der Wind rührte die Zweige der Bäume auf, und die dürren Blätter krochen um seine Füße wie Insekten.
Hinter ihm platschte es laut. Dougie zog etwas Lebendiges aus dem Wasser. Alex kehrte um und fragte, ob er helfen könne. Der Fisch war etwa so lang wie seine Hand und zappelte wie ein Entfesselungskünstler, der sich aus einem silbernen Sack zu befreien sucht. Dougie nahm mit der linken Hand den Fisch vom Haken und warf ihn zurück ins Wasser. Alex fragte, was es für einer gewesen sei.
»Ein Häsling«, sagte Dougie. Er setzte sich wieder hin, steckte einen neuen Köder auf den Haken, warf ihn aus und verfiel erneut in unbewegtes Schweigen, als wollte er schlafen gehen.
»Was meinst du, wird er’s überleben?«, sagte Alex.
»Beim Angeln geht’s nicht so um die Fische«, sagte Dougie. »Es geht darum, dass man still ist und weiß, wie man wartet.«
Alex sagte eine halbe Stunde lang nichts mehr. Er setzte sich neben Dougie ins Gras, zwischen ihnen die Köderbox, und bemühte sich um Geduld. Er versuchte, sich in den Kreisen auf dem Wasser und den Blasen in den Rückströmungen zu verlieren oder die treibenden Blätter zu verfolgen, die das Strudeln der Strömung unter der Weide mitmachten. Doch sein Kopf arbeitete. Er fragte Dougie nach seinen Kindern, und als Dougie sagte, es gehe ihnen gut, erzählte Alex ihm, dass er und Bec eins zu kriegen versuchten, und Dougie sagte: »Schön für euch.«
»Es klappt nicht«, sagte Alex.
»Geduld«, sagte Dougie. »Ihr macht es noch nicht so lange.«
»Ich hab’s schon mit Maria probiert und jetzt mit Bec. Es sieht nicht gut aus.«
»Geduld.«
»Du hast nie Probleme gehabt.«
»Meinst du, zwei kleine Töchter an entgegengesetzten Enden des Landes wären kein Problem? Ich hab überhaupt nie Kinder haben wollen.«
»Das hilft mir auch nicht.«
»Dass ich nie ’n Kondom genommen hab, war bei mir schuld.«
»Meinst du, ich hätte vergessen, die Schutzkappe abzunehmen?«
»Ich will damit sagen, dass ich total verantwortungslos war. So hirnlos zu sein, ist ’n Talent, Amigo. Wieso hab ich mit den Frauen geschlafen, wenn ich sie gar nicht gemocht hab? Ich hab mich einfach gehen lassen. Bei dir und Bec ist das nicht so. Du bist in sie verliebt, und sie liebt dich. Sie ist eine aus einer Million. Vergiss nicht, es gibt Möglichkeiten.«
Alex glaubte durchaus, dass er in Bec verliebt war, und trotzdem kam ihm das Wort »Liebe« wie ein flacher, schwerer Stein vor, den man auf ein Missgeschick warf, damit es im Dunkeln verborgen blieb.
»Was für Möglichkeiten?«, sagte er.
»Ihr seid die Wissenschaftler. Ich hab keine Ahnung. Noch mal künstliche Befruchtung. Adoption. Pipette oder so was.«
»Nein«, sagte Alex.
»Was soll das heißen, nein?«
Alex starrte in das undurchsichtige Wasser. »Ich denke, es liegt an mir«, sagte er. »Maria und Bec, so viel Zufall gibt’s nicht.«
»Geduld.«
»Ich will nicht, dass jemand anders meine Kinder zeugt, ich will nicht die Kinder anderer adoptieren, ich will nicht, dass Becs Eizellen entnommen und eingefroren und in einer Schale befruchtet werden. Ich will das Gefühl haben, dass ich und sie ein Teil der Natur sind.«
Dougie musterte ihn von Kopf bis Fuß.
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