Liebe und andere Parasiten
und es immer noch so viele Pfade zu entdecken gab? Wenn er seine Stelle als Direktor aufgeben musste, mussten sie das Haus verlassen; wo sollten sie wohnen?
»Ich werde die Stelle nicht aufgeben müssen«, sagte er. »Die Kuratoren sind ganz wild darauf. Sie glauben, dass das gute Reklame für das Institut ist. Sie wollen mir drei Monate unbezahlten Urlaub geben.«
»Dann wirst du kein Wissenschaftler mehr sein, sondern jemand, der über Wissenschaft redet«, sagte Bec. »Dafür gibt’s schon Leute. Anscheinend glauben alle in diesem Land, wo keiner was tut, es sei das Höchste, im Fernsehen darüber zu reden, was zu tun.«
Am nächsten Tag teilte Alex ihr mit, dass er das Projekt abgesagt habe. Sie habe recht, sagte er. Es würde ihn nur ablenken von dem vielen, was es zu tun gab.
Nachdem Alex nach ihrem Wunsch gehandelt hatte, hasste sich Bec dafür. Warum, fragte sie sich, hatte sie ihn davon abgehalten? Woher nahm sie das Recht, ihm seine Wünsche auszureden? Es war nie seine Absicht gewesen, seine Forschungsarbeit aufzugeben. Sie hatte gar nicht gedacht, dass er auf sie hören würde, wenn sie ihn bat, in so einer wichtigen Sache seine Meinung zu ändern. Die Einsicht, dass er ihr zuliebe so etwas tat, so selbstverständlich und prompt und mit solcher Aufrichtigkeit, weckte in ihr den Wunsch, ihn zu belohnen. Sie erklärte Alex, es tue ihr leid.
»Ich war eifersüchtig«, sagte sie.
»Du hast mich überzeugt«, sagte Alex. »Was du gesagt hast, war einleuchtend.«
»War es nicht. Wirklich nicht. Ruf sie an und sag ihnen, dass du es machen willst. Ich würde dich gern in der Glotze sehen.«
Also rief Alex an und bereitete sich auf seine Sendung vor. Bec meinte zu erkennen, dass ihre Eifersucht nicht seiner Freiheit gegenüber ihrer Fesselung an Büro und Labor galt, sondern eine vorweggenommene Eifersucht auf die Zeit war, wenn sie erst schwanger und dann eine Mutter mit einem Baby war, um das sie sich kümmern musste, während Alex ungebundener war. Ihr Ärger darüber, dass er sich wegen des Fernsehens von seiner Arbeit abwandte, galt eigentlich ihrer eigenen Abwendung vom Einsatz für die Malaria-Forschung aus dem egoistischen Grund, ein Kind haben zu wollen.
Maddie bat um ein Gespräch. Sie gingen essen bei einem Italiener mit einer Schüssel riesiger rosa Baisers im Fenster und schweren weißen Formmöbeln aus je einem Stück Kunststoff. Winzige Kellnerinnen mit Porzellangesichtern servierten ihnen penible Salate aus kleinen, bunten Zutaten, die wie Aquarelltöpfchen aussahen.
Maddie begann mit Bec über das Schicksal ihres Impfstoffes zu reden, jetzt, da er den Forschungsbereich verlassen hatte und in den Händen von Herstellern, Bürokraten und Politikern war. In den strengen Wangenknochen der Direktorin, dem Schwingen ihrer knolligen Terrakotta-Ohrringe und den dunklen Schatten ihrer Augen, die weg-, weg-, weg- und dann urplötzlich hinschauten und ihren begegneten, lag für Becs Empfinden eine große Fürsorge und Entschlossenheit. Füße, sagte Maddie, setzten sich schwerfällig in Bewegung. Hintern mussten getreten werden, aber den Kopf wollte niemand hinhalten. Es wurde von einem Botschafter gesprochen, einer charismatischen, beredten, sachkundigen Persönlichkeit, die vermitteln und den Impfstoff in Afrika breitwalzen konnte.
»Ihr Name ist gefallen«, sagte Maddie.
»Weil ich noch auf keine neue Forschungsrichtung gekommen bin?«
Maddie legte ihr Besteck hin und zog einen Mundwinkel zwei Millimeter höher. »Bei Ihnen klingt das, als wollte ich Sie bestrafen. Sie haben keine Berührungsängste, wenn es um Macht geht, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, was das heißen soll«, sagte Bec.
Maddie begann eine Geschichte aus der Zukunft zu erzählen, in der Bec die Hauptperson war. Sie flog von Stadt zu Stadt, von Sitzung zu Sitzung. Sie hielt Vorträge; sie brachte Menschen zusammen. Sie war die Frau, die die Philanthropen in die Hütten der Malaria-Opfer und die Malaria-Überlebenden zu den klugen Beratern führte und sie anhielt, ihnen ihre Geschichte zu erzählen. Es war Bec, die die Wissenschaftler mit den Politikern zusammenbrachte, die Politiker mit den Impfstoffherstellern, die afrikanischen Bürokraten mit den europäischen Bürokraten. Und während sie die ganzen Cocktailpartys über sich ergehen ließ, die Diners, den Small Talk, den hohlen Pomp von Fundraisern heute in Hollywood, morgen in Hongkong, lernte sie die ganze Zeit, wie Macht funktioniert, wie Geschäfte geschlossen
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