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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Schritt und strich den Zehner zwischen den Händen glatt. »Ich lös grad noch den Zehner ein, Alex, dann hab ich vielleicht heute Abend doch noch die Nase vorn«, sagte er.
    Alex packte ihn am Revers und schleifte ihn zur Treppe. Als sie am Empfang vorbeigingen, klatschte Dougie der Frau den Zehnpfundschein auf den Tresen.
    »Ich hab doch gesagt, Sie haben Glück«, sagte sie. »Was ist mit den Rosen?«
    »Kannst du behalten!«, schrie Dougie, während er Alex nach draußen folgte.
    Alex zog Dougie vom Casino fort, bis sie außer Hörweite des Rausschmeißers am Eingang waren. Er baute sich vor seinem Bruder auf. Es war einer jener milden Abende im frühen Winter, an denen die Bürgersteige und Straßen einen feuchten Glanz haben, ohne dass man etwas von Regen gemerkt hat, und die Schuhsohlen auf dem Pflaster ein scharrendes Geräusch machen, als würde ein Streichholz angezündet. Um sie herum erhoben sich die Villen und Wohnblocks der transnationalen Superreichen, vornehm und trostlos. Taxis zuckelten zwischen den Reihen geparkter deutscher Autos.
    »Hast du echt geglaubt, sie würde kommen?«, sagte Alex.
    »Aye.« Dougie zuckte mit den Schultern, ob gleichgültig oder nervös, war nicht zu sagen.
    »Sie hat mir erzählt, was passiert ist«, sagte Alex. »Bevor du deine ganzen SMS geschickt hast. Es wird am Sonntag von der Moral Foundation gebracht.«
    »Ich weiß nicht, was das ist.«
    »Alle Welt wird erfahren, was du getan hast. Hast du gedacht, du würdest einen Batzen Geld gewinnen und ihr zwei würdet euch auf eine einsame Insel verziehen?«
    »Mit Denken hat das nichts zu tun«, sagte Dougie.
    »Wie kannst du das machen? Wie kannst du solche Sachen machen? Du leihst dir von deinem Bruder hundertzwanzigtausend Pfund, und statt sie ihm zurückzuzahlen, schläfst du mit seiner Freundin. Du hast zwei kleine Töchter, deren Mütter sich mit Ach und Krach durchschlagen, und du verschleuderst zweihundert Pfund im Casino. Wie geht das? Ist da in deinem Kopf keine Stimme, die Nein sagt?«
    »Ich hatte bloß …« Dougie schaute sich um, machte den Mund auf und wieder zu. Er war wie ein kleiner Junge, dem plötzlich einfällt, dass die Trümmer, durch die er fröhlich spaziert, die Trümmer des Mannes sind, der er werden wollte. »Doch, ich hab so ein kleines Männchen, das Nein sagt. Es ist ein netter Kerl, wie ein Anwalt oder Professor oder Politiker. Es ist nicht so, als hätte ich ihn nicht im Kopf. Aber er ist mir zu streberhaft.«
    Alex setzte sich auf die Stufen vor einer fremden Haustür und legte den Kopf in die Hände. Dougie nahm neben ihm Platz und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich wäre gern wütend auf dich oder Bec«, sagte Alex. »Es wäre interessant, dir eine in die Fresse zu hauen und zu sehen, wie das Blut kommt. Dir ein schönes blaues Auge zu verpassen.«
    »Ich wünschte, du würdest es tun.«
    Alex zuckte die Achseln, nahm seinem Bruder die Zigarette ab, zog daran und gab sie zurück. »Das weiß ich. Bec auch. Ihr zwei seid euch ähnlicher als mir. In eurer Vorstellung wollt ihr Vergebung und Liebe haben, und in Wirklichkeit sagt euer Gefühl: ›Wie schwach er doch ist. ‹ «
    »Mach dir keinen Kopf, bloß weil du mich nicht vermöbelst«, sagte Dougie. »Schau mich an. Ich bin so ’ne Art neues Produkt, wo die Bestrafung gleich mit eingebaut ist. Du musst nur Sex und Geld eingeben.«
    »Das ist kein neues Produkt«, sagte Alex.
    Er brachte Dougie in ein Hotel und bezahlte das Zimmer. Er gab ihm hundert Pfund, und Dougie sagte, er werde sie ihm zurückzahlen.
    »Die sind nicht geliehen«, sagte Alex. »Die sind geschenkt.«
    Im Zimmer streifte Dougie die Schuhe ab und holte sich ein Bier aus der Minibar. Er bot Alex eines an, und Alex nahm es, und sie setzten sich gegenüber auf die Kanten der beiden Betten.
    »Bec ist schwanger«, sagte Alex.
    Dougie ließ sich auf das Kissen zurücksinken. Er biss sich auf die Lippe und schluckte. »Das ist ja ein Hammer«, sagte er. »Kann man sagen, von wem es ist?«
    »Bei Brüdern ist das schwerer. Aber man kann einen Test machen.«
    Nach einer Weile sagte Dougie: »Mach keinen Test. Du willst Vater sein? Dann sei einer.«
    Alex horchte auf Geräusche von der Straße oder von anderen Teilen des Hotels; es gab keine. Sie hatten tatsächlich ein stilles Zimmer bekommen. Er starrte auf das Licht, das aus einem waagerechten Kasten auf den Vorhang fiel. Wie nannte man so einen Kasten? Er konnte jetzt so lange den Vorhang anstarren, wie er wollte.

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