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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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bestimmtes Detail aus der jüngeren Vergangenheit ihres realen Lebens zu informieren. Und trotzdem bedeutete es eine große Anstrengung, Ritchie das in dem gedämpften Schonraum seines Wagens zu erzählen. Ihr war, als müsste sie sich eine komplizierte Lüge zurechtlegen.
    Als Ritchies und Karins Ehe noch explosiver gewesen war, hatte es Bec erregt mitzuerleben, wie ihre berühmten, schönen Verwandten, ihr Bruder und ihre Schwägerin, sich wie alte Sagenhelden bekämpften und wie dabei die akkumulierten winzigen Abdrücke schillerten, die Millionen von Augen und Kameras mit der Zeit auf ihren Körpern hinterlassen hatten. Ritchie hatte damals noch nicht begonnen, Gewicht anzusetzen. Seine Haare und Augenbrauen waren glatt und schwarz, seine Wangenknochen standen hervor, und die dunklen Augenringe waren noch ohne Falten, sodass es aussah, als raubten ihm Leiden den Schlaf, die nicht von dieser Welt waren, und nicht schreiende Babys. Inzwischen war sein Bauch dicker, und seine Augen waren tiefer zwischen die Lider und in die Runzeln darunter eingesunken. Er bezauberte die Leute, indem er den Eindruck erweckte, er müsse eine qualvolle Erschöpfung überwinden, um mit ihnen zu sprechen.
    »Was machen die jungen Entertainer?«, fragte sie. Sie mochte Teen Makeover nicht, und dennoch war die Erfindung und Produktion der Sendung eine Leistung ihres Bruders, die sie bestaunte. Ihre Fantasie tastete sich an die Komplexität der Sache heran, die Techniker, die Moderatoren, die selbstsüchtigen Teenager, die versessenen Eltern, die Journalisten, die Deadlines, die Werbeleute, und zuckte davor zurück. Sie verstand nicht, wie Ritchie noch Zeit für irgendetwas anderes hatte; sie wusste nicht, wie er es schaffte, nicht verrückt zu werden.
    »Wir hatten eine Band aus dem Norden da«, sagte Ritchie. »Die Jungs waren gut.«
    »Hast du eine Gitarre genommen und mitgespielt?«
    »Wie kommst du denn darauf?«, sagte Ritchie. Bec stellte sich ihren Bruder gern vor, wie er mit einer Gruppe Teenager jammte, er aber empfand ihr entrücktes Lächeln, wie schon früher, als sie noch jung gewesen waren, als spöttisch: so als wäre es an einen Kreis unsichtbarer hoher und für ihn unerreichbarer Freunde gerichtet, die ihn erbärmlich fanden.
    »Du hängst doch gern mit den Kids ab«, sagte Bec.
    »Ich hänge nicht mit ihnen ab.«
    »Solltest du aber … Reden wir jetzt über Dad?«
    »Lass uns warten, bis Mum dabei ist.«
    Bec senkte den Blick und polkte am Rand des Sitzes. Sie passierten die Kreuzung von M23 und M25 mit ihren verflochtenen Überführungen, deren grauer Beton im schwindenden Licht etwas grünlich Organisches bekam. Auf den hohen blauen Motorway-Schildern waren die weißen Pfeile, die Ausfahrten oder Fernziele anzeigten, dick und ordentlich, wie England. In dieser im Dunkeln sitzenden Bec mit ihrer halb gekämmten Mähne erkannte Ritchie die mürrische Jugendliche wieder, die jahrelang kaum den Kopf gehoben hatte, nachdem ihr Vater unter der Erde gewesen war.
    »Ich weiß nicht, warum ich das Gefühl habe, dass ich dir absolut alles erzählen kann«, sagte Bec.
    »Ich bin dein Bruder. Wie heißt es … da waren’s nur noch drei. «
    »Ich glaube, es liegt daran, dass du von einem Extrem ins andere gependelt bist. Von egoistischem Rotzlöffel zu gutem Sohn und liebem Bruder. Von koksendem und wild rumvögelndem Rockstar zu treuem Gatten und Vater.«
    Sie hatte es lobend gemeint. Ritchie biss sich in die Backe, schmeckte Blut, vermischte es mit Speichel, schluckte es hinunter und räusperte sich dezent.
    »Val hat mir einen Antrag gemacht«, sagte Bec. »Ich habe Ja gesagt, aber ich will ihn nicht heiraten.«
    Eine Dynastie – der Gedanke gefiel Ritchie. Journalismus und Entertainment blutsverbunden – hörte sich gut an, wie Hüttenwerk und Herrenhaus in alten Zeiten, wann immer die gewesen waren. Dann stellte er sich vor, wie der durchtriebene, gebildete, skeptische Val Oatman ihm am Weihnachtstisch gegenübersaß und seine Macht vor der ganzen Familie infrage stellte. Niemals!
    »Was willst du stattdessen tun?«, sagte er.
    »Ihm sagen, dass ich es mir anders überlegt habe.«
    »Dann mach das.«
    »Das ist grässlich. Es kommt mir ungehörig vor.«
    »Es ist normal«, sagte Ritchie. »Du hast mit ihm geschlafen, das ist doch schon mal was. Es wird ihn nicht freuen, aber so geht’s im Leben. Er hat noch nicht die Westminster Abbey bestellt. Du bist eine freie Frau.«
    Bec schwieg eine Weile. »Sag Mum nichts davon«,

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