Liebe und andere Parasiten
Peugeot mit einer Delle an einer Ecke, die er bekommen hatte, als sie ihn beim Transport von Amazonas-Indianern zum One Earth Festival in Stonehaven beim Zurückstoßen einen niedrigen Poller rammte. Er kaufte sich einen Stadtplan von Cambridge und fuhr hin, um Becs Bude auszukundschaften. Der Zufall wollte es, dass sie ein Zimmer in einem Haus mit großem Vorgarten hatte, gut eingewachsen von Bäumen, Sträuchern und sonstigem serenadenfreundlichem Laubwerk.
Er recherchierte auf Excite den Termin des nächsten Vollmonds, einen Donnerstag Mitte Oktober. Um zehn Uhr abends packte er seine Klamotten ins Auto und fuhr von London zu Becs Wohnsitz, wo er kurz vor Mitternacht eintraf. Die Wolkendecke über der Stadt war dicht und vom Mond kein Schimmer zu sehen. Der Herbst hatte die Nachtigallen vertrieben und die Rosen dahingerafft. Die Blätter waren gefallen, und die verbliebenen waren spärlich und gelb.
Stück für Stück holte Alex sein Schlagzeug aus dem Wagen und lehnte die einzelnen Teile auf dem Bürgersteig an die niedrige Mauer, die den Garten umschloss. Es war wenig Verkehr auf der stillen Straße, in der viele Studenten wohnten. Alex pfiff, summte, schnalzte mit der Zunge, schnippte mit den Fingern und trieb seine in alle Richtungen davonstiebenden Gedanken mit dem Asda-Jingle zusammen: » All the prices are low / Whenever you go / That’s Asda price. « Wie in der Fernsehwerbung der Supermarktkette klopfte er auf seine Hosentasche und stellte sich das Klimpern der Münzen vor, die er mit den tollen Asda-Preisen gespart hatte. Zu Fuß und zu Rad kamen Studenten vorbei und schwadronierten betrunken. Sie bemerkten die Drums auf der Straße, sahen ihn an und zogen weiter. Sobald die Straße leer war, wuchtete er das nächste Stück über die Mauer. Nach und nach schaffte er so das zerlegte Schlagzeug in den Garten, Snare, Bass, Ride, Ständer, Fußmaschine und Hocker, schaute sich ein letztes Mal um und sprang hinterher.
Er fand eine dunkle Stelle unter einer Kastanie, teils durch Sträucher von der Straße und dem Pfad zur Haustür abgeschirmt, aber mit freier Sicht auf die oberen Fenster. Er baute das Schlagzeug auf und bekam ganz kalte Finger, als er die Fußmaschine ins feuchte Laub drückte, um festen Boden dafür zu haben. Er war fast fertig und schleppte gerade den Hocker an, als er auf dem Pfad Stimmen und Schritte hörte. Er sah zwei Frauen zum Hauseingang gehen. Eine davon, bekleidet mit einem alten Mantel und einer Schirmmütze, war Bec. Alex erstarrte und fühlte, wie sein flatterndes Herz durchzudrehen begann.
Bec blieb stehen, wandte sich ihm zu und spähte in die Dunkelheit. »Wer ist da?«, sagte sie.
»Was ist los?«, sagte ihre Freundin, eine kleine, schmale Blondine, die Hände in den Taschen eines zugegurteten Regenmantels vergraben.
»Da ist jemand im Gebüsch.«
»Wir sollten reingehen«, sagte die Freundin und fasste Bec am Ellbogen.
»Wer ist da?«, wiederholte Bec.
Alex fragte sich, ob er stundenlang so stillstehen und unentdeckt bleiben konnte.
»Wir sollten reingehen«, sagte die Freundin, »sonst werden wir noch vergewaltigt.«
»Ich tu euch nichts«, sagte Alex. Die Frauen kreischten auf und taumelten zurück. Alex trat ein paar Schritte vor, damit sie ihn sehen konnten, und seine Schuhspitzen glitten zischend durch das feuchte Laub. »Ich tu euch nichts«, sagte er abermals.
»Was machst du hier?«, sagte Bec.
»Sie kennt mich«, sagte Alex zu der Freundin.
»Du hast ein Schlagzeug dabei«, sagte Bec.
»Ich geh rein. Ist das okay?«, sagte die Freundin.
»Er kennt meinen Bruder«, sagte Bec, und die Freundin verschwand im Haus. Bec verschränkte die Arme und trat zu Alex und seinem aufgebauten Schlagzeug.
»Dafür musst du ewig gebraucht haben«, sagte sie.
Alex zuckte die Achseln und schluckte. Sein Kopf enthielt großartige Gedanken, die Bec gefallen würden, aber er bekam sie nicht durch den schmalen Spalt seines Mundes gezwängt.
»Trommeln allein ist nicht gerade meine Lieblingsmusik«, sagte Bec.
»Andere Instrumente spiele ich nicht«, sagte Alex. Ein Regentropfen fiel auf seine Wange.
»Aber mein Zimmer ist auf der andern Seite vom Haus«, sagte Bec. Sie steckte die Hände in die Taschen und guckte über die Schulter zur Tür, als hoffte sie, jemand würde sie holen kommen. Ein starker Regen prasselte inzwischen auf die Blätter über ihnen und um sie herum.
»Horch«, sagte Alex. Er trat zurück und ging neben den Drums in die Hocke. Er winkte Bec.
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