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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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er kein echtes Interesse an ihren Interessen aufbringen musste.
    Die Tiefen der zytoplasmatischen Welt, die er allein in seinem Kopf erforschte, waren ihr unter den Schichten der Fachbegriffe unzugänglich, sie rang mit den Definitionen der Definitionen und fand nur immer weitere Wörter, die sie nachschlagen musste. Trotzdem war sie gern mit ihm im Haus zusammen, wenn er arbeitete. Er war verlässlich und zutraulich, wenn er sich unter der Oberfläche aufhielt. Sie fühlte, dass sie, und nur sie, seine Luftzufuhr regelte.
    Sie versuchte, ihn zu verändern, und entdeckte, dass ihr das im Kleinen gelang. Sie konnte nicht verhindern, dass er seine Gedankenlücken mit Fetzen aus alten TV -Erkennungsmelodien und Werbejingles füllte – »Up in the valley of the Jolly Green Giant … und jetzt Ho, ho ho!« –, aber sie kriegte ihn dazu, nicht in der Öffentlichkeit zu singen, jedenfalls nicht, wenn sie dabei war. Sie erklärte ihm, er trommele bei anderen Leuten zu viel mit Händen und Stiften und Bestecken auf dem Tisch herum, und er solle aufhören, jeden Teller mit Snacks, der in seine Reichweite gestellt wurde, mit zwanghafter Gründlichkeit leer zu futtern, und er gewöhnte sich all das mit einer unheimlichen Sanftheit ab, die ihr schmeichelte. Beherzt begab sie sich auf das Feld der sexuellen Verhaltensregelung. Er war, fand sie, ziemlich gut mit seinen langen, starken Händen und seinem pummeligen Pimmel. Das hakennasige Gesicht vor ihrem hatte eine verwirrende Grandezza, ähnlich dem Jugendbild eines großen alten Mannes, bevor er berühmt wurde. Aber sie schlug Alex vor, mit ihr zu sprechen, während sie sich liebten. Er fasste das als Vorwurf sexueller Inkompetenz auf und grämte sich zwei Tage lang schweigend, bevor er ihr erklärte, sie solle sich jemand anders suchen, einen, der ordentlich ficken und tanzen konnte. Maria sah den Zusammenhang nicht und besänftigte und verführte ihn, und von da an sagte er Sachen zu ihr, während er mit ihr spielte und in ihr drin war, erst schüchtern immer dasselbe, dann übersprudelnd. Maria fand, dass es zwischen ihnen so lief, wie es nach ihrer Vorstellung zwischen Eltern laufen musste, bevor sie Eltern wurden. Fünf Jahre, nachdem sie zusammengezogen waren, sprach sie das Thema an, Kinder zu haben, nicht als abstrakte Idee für die unbestimmte Zukunft, sondern als ein Projekt, für das jetzt, da sie Mitte dreißig waren, der Zeitpunkt gekommen war.
    »Meinst du?«, sagte Alex. »Kann sein.« Er runzelte die Stirn, kratzte sich an der Nase, hob den Zeigefinger und lächelte. »Clathrin! Das ist das Protein, das ich gesucht habe. Gib mir fünf Minuten.« Sie hörte die Stufen knarren, als er singend ins Arbeitszimmer hinaufsprang. » It’s Marvel-ous – less fat too! Bom-bom-bom.«
    Eines Winterabends gingen sie zum Bahnhof Farringdon, nachdem sie in einem Restaurant in Clerkenwell gegessen hatten, und kamen an einer Schlange blasser junger Leute vorbei, die vor einem Club anstanden. Ein paar trugen altmodische Pelzmützen und bodenlange Mäntel vom Trödler, aber die meisten schützten ihren klapperdürren Körper nur mit einer einzigen Schicht Leder, Netz, Samt, Polyester oder Schottenstoff vor der Kälte. Den Rest der Welt schienen sie auszublenden; es gab nur den Club, das Anstehen und die anderen.
    »Lass uns reingehen«, sagte Alex.
    »Das ist kein Laden für mich«, sagte Maria. »Ich bin nicht dafür angezogen. Für Leute über dreißig ist das nichts.«
    »Ich würde gern sehen, was da drin los ist.«
    »Gerammelt voll mit jungen Schickis, die tanzen, einen Drink zu ergattern versuchen, aufeinander abfahren, Posen einnehmen und sich gegenseitig ins Ohr schreien, um sich Gehör zu verschaffen.«
    »Lass uns mal schauen. Wir sind auch Leute.«
    »Ich will nach Hause«, sagte Maria und hakte sich bei ihm ein. »Wir gehören da nicht zu. Die lassen uns gar nicht rein.«
    »Wer sagt denn, dass wir nicht dazugehören? Warum?« Alex entzog ihr seinen Arm und stellte sich an das Ende der Schlange. Maria blieb stehen und beobachtete ihn eine Weile; er blickte nicht in ihre Richtung. Sie ließ ihn zurück und wurde zwei Stunden später von dem Geräusch des Taxis wach, das ihn nach Hause brachte.
    »Haben sie dich reingelassen?«, fragte sie, als er zu ihr ins Bett stieg.
    »Irgendwann«, sagte er schmollend und wollte nicht mit ihr reden.
    Über die Jahre registrierte Alex die Vergrößerung seiner Sippe mit distanziertem Interesse. Als sein Bruder Dougie zum ersten

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