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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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zwischen denen es keine Überschneidungen geben konnte. Auch wenn Ritchie ihn noch so oft anrief, ihn in Interviews erwähnte oder ihn bei Ereignissen wie der Plattenpremiere zum Zusammensein mit anderen Musikern einlud, rechnete Alex stets mit dem Abbruch des Kontakts.
    Die Party war in einem neuen Luxushotel am Hyde Park. Alex betrat die Lobby mit knielöchrigen Jeans, Chucks, T-Shirt und schwarzem Jackett. Das war in jungen Jahren sein üblicher Aufzug als Drummer gewesen, und mit dem Stil zog er jetzt, da er Dr. Comrie war, Zellbiologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am King’s College mit eigenem Büro und eigenen Lehrveranstaltungen, die Blicke der Studenten auf sich, wie er meinte. Das T-Shirt war ein Primal-Scream-Relikt, auf dem die schwarzen Augen der Screamadelica -Maske blassgrau und das Rot drum herum blassrosa geworden waren. Das Jackett war neu. Ein paar Monate lang war er auf dem Campus mit einem Button am Revers herumgelaufen, auf dem »Isn’t life RNA -ic?« stand, aber kurz bevor er das Haus verließ, hatte er ihn gegen den alten Button aus Gorse-Tagen ausgetauscht, »I Am Nico«.
    Hoffnung durchschoss ihn, als das schöne Mädchen am Eingang seinen Namen auf der Liste der geladenen Gäste fand und ihn in die Bar des Metropolitan durchwinkte, in den Glanz der Gäste und das Dröhnen der Gespräche. Sein Name war einer von Hunderten auf einem Stück Papier, und doch fühlte er sich den Musikmachern zugezählt. Er hatte sich für die Kaste der Zellbiologen entschieden, und sie hatten ihn aufgenommen, aber er war von seinen Kollegen enttäuscht. Ach, dachte er, und sein Herz schlug höher, könnten die Musiker doch nur die wilde Schönheit der submikroskopischen Meere erkennen. Könnten sie doch nur verstehen, dass ihre Lieder von Liebe, Tod und Leid durch die Inkarnation in Adenosintriphosphatase nichts an Bedeutung verloren.
    Während er mit Daumen und Fingerspitzen den feuchten Beschlag an einem Glas verrieb, registrierte er die Äußerlichkeiten im Raum, als läse er stupide die Zutatenliste auf einer Müslipackung durch: flaumige Kinne, gegelte Locken, stöckelwehe Waden, Sonnenbrillen, tätowierte Kalligrafien, nackte Schultern, dicke Ringe. Im ganzen Raum kannte er nur Karin und Ritchie, die sich mit dem Gitarristen und Songschreiber einer Band unterhielten, die einen Hit nach dem anderen landete und die letzte Nummer eins erst vor zwei Monaten gehabt hatte; erst der Tod einer Prinzessin hatte sie von den Titelseiten verdrängt. Fest entschlossen, sich nicht darum zu scheren, was der berühmte Freund seiner berühmten Freunde von ihm hielt, gesellte sich Alex zu ihnen, und Ritchie und Karin begrüßten ihn und stellten ihn dem berühmten Noel vor.
    »Warum redest du ständig davon, wie sehr du die Beatles liebst?«, war das Erste, was Alex mit unbeabsichtigter Bissigkeit zu Noel sagte. »Auf die Art wirst du nur danach beurteilt, wie gut andere vor dir waren.«
    Noels struppige Augenbrauen hoben sich ein My.
    »Alex sagt, was er denkt«, sagte Ritchie.
    Noel lachte. »Und was machst du so?«, sagte er.
    Alex bekam einen trockenen Mund, trank ein paar Schluck Champagner und ärgerte sich, weil er mit einem Promi vertraut getan und versucht hatte, ihn zu beeindrucken, weil es ihm nicht gelungen war, weil der ihn ignorierte, weil er überhaupt gekommen war.
    Ein Mann und eine Frau, die Alex nicht kannte, traten zu der Gruppe. Alex wurde nicht vorgestellt und starrte auf den Fußboden. Die sechs Paar Füße bildeten einen Kreis, der ihn an die Zellmembran erinnerte. Er beobachtete, wie die anderen zehn Füße Millimeter um Millimeter von seinen abrückten, wie der Kreis sich öffnete, um ihn auszustoßen wie ein Vesikel voll Abfallmolekülen, das von der Phospholipidschicht abprallt, und wie er sich vor seinen außen stehenden Füßen wieder schloss. Schultern waren vor seinen Schultern, sperrten ihn aus.
    Das Ballett der Proteine begrübelnd, ging er davon und vergaß, dass er sich geärgert hatte. Er wollte sich hinsetzen und nachdenken. Vor einer Bank, die im Bogen an der hinteren Wand verlief, fiel ihm das Gesicht einer jungen Frau ins Auge, und er erinnerte sich an die gierige Hoffnung, die er beim Betreten der Bar empfunden hatte. Die Frau neigte ihre rosigen Wangen und ihre schulterlange, schwarz gewellte Haarpracht einem Mann in Anzug und Krawatte zu. Es missfiel Alex, dass er nicht der Mann war, der angehört und angelächelt und mit großen, dunklen Augen angeschaut wurde. Der Mann,

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