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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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ausgebreitet, wo sie gelegen und ferngesehen hatte. Die Polster zeigten noch den Abdruck ihres Körpers. Eine angebrochene Flasche Wein und ein Glas standen auf dem Tisch. Von Zimmer zu Zimmer schlendernd, zögerte Alex den Moment hinaus, in dem er zu Bett gehen und sich neben sie legen würde. Langsam stieg er die Treppe nach oben, und was er tun wollte, kam ihm wie Mord vor.
    Maria schien zu schlafen, während er sich auszog, ohne das Licht anzumachen. Als er vorsichtig neben ihr ins Bett kroch, nahe genug, um die Wärme ihres Rückens und den Geruch ihres Haars wahrzunehmen, kam Bewegung in ihren Körper, und ohne sich umzudrehen, sagte sie: »Wie war’s?«
    »Es war ein richtiger Staatsakt. Herzliche Reden. Wir haben ihn groß verabschiedet.«
    »Hast du nette Frauen kennengelernt?«
    »Ritchie Shepherds Schwester war da.«
    »Ist sie Single?«
    »Ja.«
    »Hast du sie geküsst?«
    »Nein.« Er wollte es ihr erst am Morgen sagen, sofern sie ihn nicht jetzt dazu nötigte, und mit klopfendem Herzen wartete er auf die nächste Frage aus der Dunkelheit. Doch es kamen keine weiteren Fragen. Bald hörte er Marias Atem tiefer und rauer werden, als hätte sie beschlossen, dass durch die Schlafgemeinschaft mit ihm die Gefahren des Tages gebannt waren.
    Alex wurde früh wach. Es war noch dunkel. Er stand auf, zog sich an und ging nach unten. Die Gebote der Ehre hatten sich ihm über Nacht herauskristallisiert, und während er darauf wartete, dass Maria herunterkam, traten sie ihm so klar und so willkürlich wie ein Duellreglement vor Augen. Er konnte Bec nicht haben, ohne Maria zu verlassen, und deshalb musste er Maria verlassen. Er würde ihr offen sagen, dass er sie verließ. Und er musste es ihr jetzt sagen, weil er nicht warten konnte. Aber er durfte sie nicht wecken, um es ihr zu sagen. Sie musste von selbst aufwachen. Und wenn er es ihr gesagt hatte – das kam ihm am allerschwersten vor, aber er war sich sicher, dass es sich so gehörte –, musste er ihr das letzte Wort gewähren.
    Er saß fußwippend in der Küche und beobachtete die große Uhr an der Wand. Er stand auf, stellte sich dicht davor und beobachtete, wie der Minutenzeiger über den Abstand zwischen den Strichen kroch. Er putzte sich die Zähne und stellte die Zahnbürste in den Metallbecher zurück, der neben dem von Maria stand. Er starrte die zwei einander zugeneigten Zahnbürsten an, die eine rot, die andere blau, dann nahm er seine und steckte sie sich in die Tasche, sodass die rote allein in ihrem Becher zurückblieb.
    Um Viertel vor neun hörte er Maria die Treppe runtersteigen und das Rascheln ihres Morgenmantels im Flur. Sie warf ihm einen Blick zu, als sie in die Küche kam, und trat an die Arbeitsplatte.
    Sie streifte Latexhandschuhe über, um ihre Hände zu schützen, nahm sich einen Granatapfel und schnitt mit einem Sägemesser mehrfach in die Schale. Sie brach den Granatapfel auf und fing an, die Samen herauszuklauben und auf einen Teller zu legen.
    Alex stand auf. »Es gibt etwas, das ich dir sagen muss«, sagte er.
    »Dann sag es«, sagte Maria.
    »Du kehrst mir den Rücken zu.«
    »Ich kann dich hören.«
    »Ich möchte nicht mehr hier wohnen.«
    »Ihretwegen?«
    »Ich mag sie, deshalb muss ich gehen.«
    »Du magst sie? Du meinst, du bist auf sie scharf? Willst sie haben?«
    »Wir haben darüber geredet, dass es einmal so kommen musste.«
    »Das heißt, du gehst jetzt zu ihr?«
    »Sie reist heute Morgen ab. Sie erwartet mich nicht. Ich glaube nicht, dass ich sie noch erwische. Sie nimmt den Zug nach Heathrow um zehn.«
    Er wartete darauf, dass Maria etwas sagte, dass sie das letzte Wort hatte, und während er sich noch wunderte, wie er es wagen konnte, ihr derart wehzutun, fing er an, sie für ihr Schweigen zu hassen. Es war zehn vor neun, und er wollte los. Er merkte an der Beharrlichkeit, mit der Maria ihm weiter den Rücken zukehrte, und an der Ruckartigkeit ihrer Bewegungen, dass sie kurz vor dem Weinen war. Die einzigen Geräusche in der Küche waren das Ticken der Uhr und Marias Auspulen des Granatapfels. Das leise Reißen, mit dem ihre Finger die Samenkammern voneinander trennten, klang für Alex, als ob sie ihr Herz in Stücke risse.
    »Dann gehst du besser«, sagte Maria.
    »Es tut mir leid.«
    »Sag nicht so was. Du bist bis jetzt anständig gewesen. Verdirb das nicht, indem du lügst. Sag gar nichts mehr. Geh einfach. Ich hab verloren, und du kannst nichts daran ändern.«
    Alex ging zu ihr und legte die Arme um sie. Sie

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