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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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drehte sich um und kauerte sich an ihn, erwiderte aber die Umarmung nicht. Er fühlte ihre Tränen an seinem Hals, ihren zitternden Körper. Er spürte ein Unbehagen unter den Rippen, als ob eine Katze sein Herz anstupste und beschnupperte und es zwischen den Pfoten drehte. Es würde sich eigentlich gehören zu weinen, dachte er, aber die Tränen wollten nicht kommen. Er löste die Arme von ihr und verließ das Haus.
    34
    Es war neun Uhr. Alex schob eine Stahlklemme über sein rechtes Hosenbein, schloss das Rad auf und fuhr unter einem Himmel, der Regen verhieß und von Flugzeugen dröhnte, von Mile End gegen einen steifen Westwind an.
    Er beschleunigte zwischen den Kirschbäumen und den dicht an dicht stehenden kleinen Reihenhäusern in der Lichfield Road, erhob sich vom Sattel, stemmte sich in die Pedale, schoss am Heck eines zurücksetzenden weißen Lieferwagens vorbei und zwang ihn zu bremsen, raste zwischen Reihen im Stau stehender Autos über den Fußgängerübergang in der Grove Road und durch das Tor in den Mile End Park, zischte so dicht an zwei Schulmädchen mit weißen Kopftüchern vorbei, dass sie aufschrien, stieß auf den Kanalweg, kam gerade unter die Eisenbahnbrücke, als der Schnellzug nach Ipswich sie überquerte, scheuchte heftig klingelnd eine Frau mit Kinderwagen zur Seite, flitzte geduckt unter der Roman Road hindurch, vorbei an im Wasser kämpfenden Blesshühnern, den Buckel im Kanalweg an der Einmündung des Hertford Canal hinauf und mit einem Affenzahn und einem heftigen Stoß an der Bremsschwelle auf der anderen Seite hinunter, preschte zwischen einen Mann im Trainingsanzug und seinen Pittbull, unter der Betonbrücke der Old Ford Road mit ihren Schablonengraffiti hindurch, die Auffahrt zum Schleusenwärterhäuschen hinauf und weiter den westwärts fließenden Kanal entlang, vorbei an den Kastanien des Victoria Park und der Reihe der Narrowboats, die eingehüllt in ihre eigenen Rauchwolken dalagen. Er duckte sich unter einem Ast hindurch, den zwei Bootsbewohner aus dem Park als Brennholz anschleppten, jagte sein Rad durch die schummerige schmale Passage unter der Approach Road, ließ mit dreißig Stundenkilometern die von Tauben wimmelnde Mare Street Bridge hinter sich, zwang einen anderen Radler zu einem scharfen Ausweichmanöver auf den dünnen Rasenstreifen und flog unter der Lea-Valley-Bahnlinie hindurch.
    In der langen offenen Kurve Richtung Broadway Market senkte er den Kopf und sprintete an den Gerippen der leeren Gasometer am anderen Ufer vorbei. Er tauchte an der Goldsmiths Row unter der Brücke hindurch, sauste weiter zur Schleuse, die Steigung hinauf, mit dem Rauschen des Wehrs in den Ohren um den Holzbalken des Schleusengatters herum und hinauf auf die Gerade. Die losen Betonplatten des Kanalwegs wackelten unter seinen Rädern, und er raste über drei dicke weiße Striche und das aufs Pflaster gemalte Wort » SLOW «. Sein lautes Klingeln tönte durch das Dunkel zwischen dem Backsteinbogen der Queensbridge-Road-Brücke und dem grünen Wasser. Er passierte die aufs Mauerwerk gemalte Reklame für Ron’s Eel and Shell Fish und die stählerne Bogenbrücke der East London Line. Im Süden erhoben sich die Hochhäuser der City. Er beschleunigte, um vor einem anderen Radler das Sperrgitter vor der Schleusenauffahrt zu erreichen, schlängelte sich hindurch, trat in die Pedale und nahm die steile Steigung auf Straßenniveau, ohne herunterzuschalten. Er fuhr einem Range Rover dicht vor die Schnauze, hetzte durch die Verengung der Danbury Street und um den kleinen Verkehrskreisel und dann mit erhöhtem Tempo an den Gärten auf dem Weg zur Goswell Road vorbei, wo er in die Busspur einschwenkte. Die alte Uhr auf ihrer Säule zeigte zwanzig nach neun an.
    Am Bahnhof Angel war die Ampel grün, und Alex bog mit Karacho in die Pentonville Road ein, schlug Haken um haltende Busse, wechselte wild die Spuren, stieß mit den Enden der Lenkstange an Autoseiten. Er erklomm den Hügel, sah vor sich die lange Abfahrt nach King’s Cross, ging mit einem Ruck hinüber in die Busspur, senkte den Kopf, unterstützte die Schwerkraft mit zusätzlichem Strampeln, bis der Fahrtwind sein Gesicht peitschte. Kurz vor dem Bahnhof der Thameslink-Linie wurde er von Bussen und Schranken eingekeilt. Er sprang vom Rad, hob es über ein Geländer, warf es krachend auf die andere Seite, kletterte hinterher, stieg wieder auf und eilte halb fahrend, halb rollernd auf dem Bürgersteig weiter, einen Fuß auf dem Pedal, den

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