Liebe und andere Parasiten
überredete die zuständigen Redakteure für das O’Donabháin-Projekt, einen Titelsong von ihm mit aufzunehmen. Er erklärte Ruby, statt bei Teen Makeover dabei zu sein, wo sie doch noch gar kein Teen war, und mit anderen Leuten zusammen aufzutreten, könne sie in einem speziellen Video solo singen, einen speziellen Song über ihren Opa, der im Fernsehen und im Internet kommen werde, vielleicht sogar im Kino!
Er hatte Karin noch nie so geliebt, und sie war noch nie so gut zu ihm gewesen. Es war, als wüsste sie, dass er Sorgen hatte und dass sie besser nicht nachfragte. Sie brachte ihre Tage mit den Kindern zu und die Abende teils mit ihnen, teils mit Ritchie und teils im Studio im Stallgebäude. Es gab Zeiten, in denen er sich fragte, wo es mit ihr und der Musik hinging; in denen er an die Tage zurückdachte, als sie noch zu dritt gewesen waren, die Musik, Karin und Ritchie. Aber der Gedanke, dass Karin und die Musik mehr miteinander zu tun haben könnten als die eine wie die andere mit ihm, war unerträglich, und Ritchie konnte ihn nicht ernst nehmen. Karin kam samstags immer zu Familienausflügen an die Küste oder in den Wald mit. Da saßen sie Seite an Seite am Strand, die Knie angezogen, und sahen zu, wie Dan und Ruby am Meeresrand tollten, Karin tief in Gedanken, während Ritchie sie beobachtete und eine Weile seine Ängste vergaß.
»Was denkst du?«, fragte Ritchie dann.
Karin sah ihn an und lächelte. »Allerlei«, sagte sie. Und Ritchie, der nur nach ihrer Zuwendung gelechzt hatte, war froh, dass sie ihm nichts Genaueres zu sagen versuchte.
Die Weihnachtstage in Spanien waren ungestört verlaufen. Bec war guter Laune gewesen und hatte viel Wein getrunken, damit sie, sagte sie, der Versuchung zu arbeiten widerstand. Sie hatte Lust, spätabends mit ihm und ihrer Mutter auf der Terrasse zu sitzen und über die alten Zeiten zu sprechen. Sie verbrachte viel Zeit damit, zu simsen, und als er sie fragte, wer am anderen Ende war, lachte sie und sagte, das werde sie ihm später erzählen, doch das tat sie nie. Im neuen Jahr flog sie nach Afrika zurück.
Ritchie markierte sich die E-Mails, die Bec aus Tansania schickte, um sie auf jeden Fall zu beantworten, doch er tat es nicht, und sie rutschten auf der Liste der unbeantworteten nach unten. Das Eintreffen der Mails beunruhigte ihn mehr als deren Inhalt. Der Gedanke, dass seine Schwester in einem fernen Land war, unberührt und abgeschottet unter bedürftigen Afrikanern, war tröstlich, so als wäre Bec sicher in einem Kloster eingesperrt. Jede Mail erinnerte ihn daran, dass sie keineswegs weit weg war. Solange Bec sich in Afrika aufhielt, war sie ihm lieb. Wenn er sich eine heimkehrende Bec vorstellte, hörte er eine Kakofonie zorniger Männerstimmen, die Sätze schrien wie: »Ich liebe meine Schwester!« »Bec ist ein guter Mensch!« »Meine Schwester ist einer der feinsten Menschen, die ich kenne!« Bei dem Gedanken an Becs Rückkehr erkannte er, dass er sie niemals verraten konnte und dass sie immer zu redlich und zurückgezogen sein würde, um verraten werden zu können. Er hatte nie das Gefühl, dass es einen Unterschied zwischen diesen beiden Gewissheiten gab; und seine Gedanken wandten sich wieder der Hoffnung zu, Val werde sterben.
Eines Morgens nach einer Nacht, in der er wenig geschlafen hatte, fuhr Ritchie nach London, die Augen vor Kopfschmerzen immer wieder zupressend und aufreißend. Als er in die südlichen Vororte gelangte, hörte er im Radio Alex’ Stimme. Eine Schlagzeile darüber, dass britische Wissenschaftler angeblich im Verständnis der menschlichen Lebenszeit einen Durchbruch erzielt hatten, war im ersten Teil von Ritchies Fahrt mehrmals verlesen worden, aber erst, als er Alex im Interview hörte, begriff er, wer der hauptverantwortliche Wissenschaftler war. Soweit Ritchie es verstand, hatte es irgendetwas mit Krebsbehandlung zu tun. Ritchies Stimmung hob sich, und sein Kopf wurde ein wenig klarer, als Alex’ deutliche, selbstsichere Stimme den Wagen füllte.
Der Interviewer sagte: »Zum jetzigen Zeitpunkt hilft die Behandlung, von der Sie reden – und man darf, glaube ich, mit Recht von einem Durchbruch sprechen –, nur Leuten, die an einer ziemlich seltenen Krebsart leiden, nicht wahr?«
»Das ist richtig«, sagte Alex. »Aber was diese jüngste Entdeckung so aufregend macht, ist die Möglichkeit eines ähnlichen Verfahrens bei anderen Krebsarten. Wir möchten keine Erwartungen schüren, dafür ist es noch zu früh, aber
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