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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Zimmer, wo er die Glastür einer Vitrine mit seinen Auszeichnungen zerbrach.
    36
    An seinem ersten Tag als Nachfolger seines Onkels und Direktor des Belford Institute kam Alex mit einem lädierten Fuß angehumpelt, nachdem sein Fahrrad in Paddington vom Bahnsteig gesegelt war. In E-Mails erzählte er Bec, er sei der Leiter einer kleinen Gruppe gut bezahlter Leute geworden, die in endlosen Meetings Urteile über die harte Arbeit und die guten Ideen von schlecht bezahlten Leuten fällten.
    Bec simste ihm: »Das nennt sich Management.«
    Als Alex sich um Harrys Stelle bewarb, hatte er das Institut aus den Erzählungen seines Onkels im Kopf. Die Krebsforscher in Harrys Geschichten waren immer im Kampf, immer an vorderster Front – es gab keine anderen Fronten. Es gab Schlachten, Siege, Fortschritte, Durchbrüche; es gab Waffenarsenale und Munitionslager, es wurden Messer gewetzt und Vögel abgeschossen. Es gab Ruhm, Opfergeist, Heldenmut. Es gab Glauben, Credo, Häresie, Blasphemie, Frevel, Schisma. Es gab heilige Grale. In seinem Bewerbungsschreiben an das Kuratorium sprach Alex leidenschaftlich vom Belford Institute, als ob die Wissenschaftler ein Elitetrupp soldatischer Heiliger wären. Aber die Kuratoren erkannten das Institut, von dem er sprach, nicht wieder. Sie hielten das alte Institut aus Harrys Erinnerungen, das Alex beschrieb, für das neue Institut, das er nach seinen brillanten Plänen zu schaffen gedachte. Nach ihrer Ansicht war das Haus zu einem zusammengewürfelten Haufen inkompatibler Forschungsteams verkommen, deren Mitglieder mehr Zeit damit verbrachten, sich gegenseitig zu bespitzeln und schlechtzumachen, als mit den Entdeckungen aufzuwarten, die sie gern gemacht hätten, Entdeckungen, bei denen die Leute, wie sie sich untereinander erzählten, von ihrem Frühstückskaffee aufschauen. Sie nahmen an, Alex wusste, dass Harry nach den frühen Triumphen ein Bürokrat geworden war, und kein guter. Aber Alex wusste es nicht, bevor er die Stelle antrat, und musste feststellen, dass seine erste Aufgabe darin bestand, bei einer Sitzung des Gartenbauausschusses den Vorsitz zu führen.
    Alex erkannte, dass die Kuratoren davon beeindruckt waren, wie der Schluss seines Aufsatzes um die Welt gegangen war. Er hatte vorgehabt, ihnen zu sagen, dass er es Harrys wegen so formuliert hatte und dass es ihm peinlich war, wie diese wenigen Worte die Wahrnehmung des Aufsatzes verzerrten. Doch als er dem Halbrund bedeutender Gremienwühler unter dem Porträt des alten Lord Belford gegenübersaß, erkannte er, dass es zu spät war. Er konnte diesen letzten Satz nicht in Zweifel ziehen, ohne seine ganze Arbeit in Zweifel zu ziehen, und dafür war er zu stolz. Er bemerkte, dass einige der Kuratoren bei seinem Einstellungsgespräch Kopien des Artikels in Val Oatmans Zeitung vor sich liegen hatten, samt der absurden Schlagzeile. Wenn er die Wahrheit wieder zu Ehren bringen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich selbst mithilfe derselben Medien anzugreifen, durch die er aufgebaut worden war. »›Habe mich geirrt‹, sagt ›Jungbrunnen‹-Biologe.« »›Bedaure‹, sagt ›Unsterblichkeits‹-Verkünder.«
    Eines Tages bekam er einen Anruf von Val Oatman, dem zu Ohren gekommen war, sagte er, dass Alex mit der Berichterstattung über seine Forschungen nicht glücklich sei. »Sie hätten uns Bescheid sagen sollen«, sagte Val. »Wir nehmen solche Sachen sehr ernst, wissen Sie.«
    »Ich wusste, dass es popularisiert werden würde. Aber ich dachte, Sie würden es etwas überlegter popularisieren.«
    »Sie sind jetzt eine wichtige Persönlichkeit«, sagte Val. »Unsere Leser möchten mehr über Sie erfahren. Alle interessieren sich für die Wissenschaft, wenn es darum geht, wie lange sie leben werden.«
    »Und warum haben Sie geschrieben ›Wissenschaftler entdeckt‹ statt ›Wissenschaftler entdecken‹? Wie stehe ich jetzt vor meinen Mitarbeitern da? Es standen noch andere Namen auf diesem Aufsatz außer meinem.«
    »Wir möchten wissenschaftliche Koryphäen unterstützen«, sagte Val. »Wir haben mit Ihren PR -Leuten darüber gesprochen. Die sind Feuer und Flamme. Sie möchten Ihre Arbeit weiter voranbringen, versteht sich, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass Ihre Ideen hundertmal eher Gehör finden, wenn Sie prominent sind.«
    »Ich will nicht prominent sein«, sagte Alex.
    »Wir kleinen Schreiberlinge haben die Pflicht, Sie zu überzeugen. Der Mann auf der Straße kennt keine Wissenschaftler mehr mit Namen. Das

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