Liebe und andere Parasiten
jetzt, wo wir anfangen, den Chronase-Komplex nach und nach zu verstehen, könnte die Therapie mit Expertenzellen in der Medizin spielverändernd wirken.«
»Und nicht nur bei Krebs? Weil Ihre Forschung ja auch ein paar erstaunliche Ideen dazu beinhaltet, wie dieses Verfahren, wenn das das richtige Wort ist, Menschen tatsächlich ermöglichen könnte, länger zu leben – erheblich länger?«
»Haha!«, schrie Ritchie und trommelte mit beiden Händen auf das Lenkrad ein.
»Das ist noch eine äußerst entfernte Möglichkeit«, sagte Alex. »Wir müssen in unserer Arbeit einen Schritt nach dem anderen tun und damit anfangen, den heutigen Kranken über fünfzig zu mehr Jahren bei guter Gesundheit zu verhelfen.«
»Alex Comrie –«
»Es darf auf keinen Fall vergessen werden, dass unser Erfolg die Bestätigung der bahnbrechenden Arbeit von –«
»Alex Comrie –«
»– Harry Comrie ist, der vor fünfundzwanzig Jahren die Eigenschaften der Expertenzellen entdeckte.«
»Professor Alex Comrie, wir danken Ihnen für das Gespräch.«
Alex war in den Nachrichten. Er war im Fernsehen. Vals Zeitung hatte ihn als Titelgeschichte auf der ersten Seite gebracht – »Wissenschaftler entdeckt Jungbrunnen« lautete die Schlagzeile –, und überall im Internet tauchte Alex’ Name auf.
Ritchie freute sich, dass es Menschen wie Alex gab, selbst wenn seine eigenen Lebensumstände ihm nicht erlaubten, ein so guter Mensch zu sein wie sein Freund, ein so guter Mensch, wie er gern gewesen wäre. Ritchie fand, dass er, Ritchie, das Pech hatte, die Realität des Lebens zu kennen, die Tatsache, dass ständig Leute versuchten, einen in die Pfanne zu hauen, und man sie manchmal seinerseits in die Pfanne hauen musste. Er fand es tröstlich zu wissen, dass es im Leben auch anständige, hart arbeitende, aufopferungsvolle Genies wie Alex gab, der hinter den Mauern seines Instituts gute Werke tat und das Feuer der Erkenntnis hütete wie ein Abt in seinem Kloster, wie Bec auf Nonnenart in Afrika.
Wenn sie bloß nicht zurückkäme, dachte Ritchie.
Ritchie begriff die Beschränktheit von Alex’ Mitteln als den Preis, den dieser für die große Ehre der Redlichkeit zahlte, und seinen eigenen Erfolg als Entschädigung dafür, dass er damit gestraft war, lügen und betrügen zu müssen. Alles, was Alex getan hatte, seit er im College sein Drummer gewesen war, erschien ihm auf geradezu lehnsherrliche Art als Tribut. Jetzt aber wurde sein weltfremder Freund mit seinen verkopften Notizen rund um die Uhr auf der ganzen Welt zitiert. Ich hoffe, es verdreht ihm nicht den Kopf, dachte Ritchie. Er hat ja keine Ahnung, wie böse Menschen wie Val sind, dass sie Leute nur deswegen berühmt machen, um sie später zu vernichten, sie und ihre Familien. Alex’ Lebensgefährtin Maria fiel ihm ein; ein Glücksgriff von Alex, sich die zu angeln! Die beiden hatten ja überhaupt keine Vorstellung von der Gefahr, in der sie jetzt schwebten, da sie aus der Versenkung gekrochen waren.
Er rief Alex von seinem Büro aus an und gratulierte ihm.
»Ich hätte nicht so dick auftragen sollen«, sagte Alex.
»Quatsch«, sagte Ritchie. »Du bist der geborene Medienmensch.«
»Wo habe ich bloß diesen Ausdruck ›spielverändernd‹ her? Ich habe nur Harrys wegen so dick aufgetragen«, sagte Alex.
»Du denkst zu viel«, sagte Ritchie, der keine Ahnung hatte, wer Harry war.
»Hat Bec dir erzählt, dass ich sie demnächst besuche?«, sagte Alex.
Ritchie fühlte ein Prickeln hinter den Ohren.
»Was?«, sagte er.
»Ich fliege nach Tansania, deine Schwester besuchen. Hat sie’s dir erzählt?«
»Mit Maria?«
»Maria und ich haben uns vor drei Monaten getrennt.«
»Gott.«
»Ja, ich weiß.«
»War es …?«
»Es ging einfach nicht mehr.«
»Ich hatte ja keine Ahnung.«
»Wir sind immer noch Freunde.«
»Warum fährst du nach Afrika?«
»Warum nicht?«, sagte Alex. »Du hast uns miteinander bekannt gemacht.«
»Was hast du vor?«, sagte Ritchie barsch. »Sie hat verdammt viel zu tun, klar?«
»Ritchie, ist was mit dir?«
Ritchie versagte die Stimme.
»Ich weiß nicht, was du mit ›vorhaben‹ meinst«, sagte Alex. Er lachte verlegen. »Sie hat mich eingeladen.«
»Verdammte Scheiße, Alex, ich weiß wirklich nicht, ob du das tun solltest«, sagte Ritchie und beendete das Gespräch. Er zitterte. Er schaltete das Telefon aus, warf es auf seinen Schreibtisch, griff sich den Stapel Zeitungen, stopfte sie in den Papierkorb und trat den Papierkorb durchs
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