Liebe und andere Parasiten
kann nicht gut sein. Kommen Sie doch nächste Woche zum Essen zu mir.«
»Da bin ich in Urlaub.«
»Wo fahren Sie hin?«
»Nach Afrika«, sagte Alex und wusste nicht, warum er die Frage beantwortete, obwohl er Val lieber erklärt hätte, das gehe ihn nichts an.
»Schön. In welchen Teil?«
Alex wollte es ihm nicht sagen, und trotzdem tat er es wieder. »Tansania.«
»Jemand besuchen?« Alex blieb stumm, bis Val sagte: »Hallo?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob …«, begann Alex.
»Ich habe eine Bekannte in Tansania«, sagte Val. »Eine Wissenschaftlerin. Rebecca Shepherd.«
»Wussten Sie, dass ich sie besuchen fahre?«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Wussten Sie es?«, sagte Alex nachdrücklich. Er wurde unsicher. »Ich weiß, dass Sie beide …«
»Das war einmal«, sagte Val. »Keine Sorge. Ich wollte mit Ihnen ins Gespräch kommen. Ich wollte Ihnen sagen, dass man sich dafür interessiert, was Sie tun.«
»Als Wissenschaftler.«
»Selbstverständlich. Wir unterhalten uns, wenn Sie wieder da sind.«
Am Anfang und Ende jedes Tages im Institut kam Alex in der Eingangshalle an einer Skulptur vorbei, deren Anschaffung Harry beim Kuratorium durchgedrückt hatte. »Ein Wissenschaftler kann genauso gut öffentliche Gelder für Kunst ausgeben wie ein toskanischer Gauner im Kardinalshut«, sagte er. Das Werk, verkleinert gegenüber dem ursprünglichen Entwurf des Künstlers, nach dem es eine Flugzeughalle gefüllt hätte, hieß Reason IV . Die Ausführung, wie sie nun dastand, war schulterhoch und glich einer metallicroten Bowlingkugel auf einem wurmkotähnlichen, hart gewordenen Teighaufen.
Alex wollte zu Bec fliegen, sobald es nur irgend ging, aber Harry, bei dem er eingezogen war, verlangte, wenn er sich schon »nach Afrika verkrümeln « wolle, müsse er ihm erst noch eine Infusion mit Expertenzellen verabreichen. Alex weigerte sich. Harry quengelte, trotzte, schmollte, spielte den Gleichgültigen und bebte vor Entrüstung. Das Gefühl, eine Therapie vorenthalten zu bekommen, die ihm von Rechts wegen zustand, wie er meinte, belebte ihn, und Alex hielt es für möglich, dass die Verweigerung der Medizin seinem Onkel mehr half, als sie ihm zu geben. Aber das hätte geheißen, ein Leben durch Groll zu verlängern. Und wenn er nach Tansania flog, ohne Harry zu geben, was er wollte, würde sein Onkel ihm das nicht verzeihen.
Alex erklärte sich bereit, die Zellen aus dem Gefrierschrank des Instituts zu besorgen und sie Harry zu verabreichen, aber nur unter zwei Bedingungen: Harrys Sohn Matthew musste seine Zustimmung geben, und Harry musste, wenn es zu Ende ging, Matthew zu sich lassen, wie dieser es wünschte.
»Warum lässt der Penner mich nicht meine Enkel sehen?«, sagte Harry.
»Du weißt, warum.«
37
Alex entschied, dass er persönlich mit Matthew reden musste, selbst um den Preis, seine Afrikareise zu verschieben. Er fuhr mit dem Zug nach Norden. Lettie holte ihn vom Bahnhof ab.
Sie war zweiundvierzig Jahre alt und im achten Monat schwanger, was, sagte sie, als Alex ihr gratulierte, ein Wunder sei. Aus dem Mund der großen, schwergewichtigen Frau mit kurzen, ergrauenden Haaren hörte sich »Wunder « wie »Unfug « an; sie sah müde aus. Noch während Alex sie auf die Wange küsste, drehte sie sich um und ging voraus zum Auto. Ihre Bewegungen drückten Pflichtgefühl aus, als wäre sie offiziell beauftragt, Alex zu einer Konferenz abzuholen.
Alex’ Wahrnehmung dieses Umstands war durch Liebe gedämpft, eine vorauseilende Liebe, die, stellte er fest, auch Vierzigjährige überfiel. Er war überzeugt davon, dass Bec ihm gehören würde, und obwohl er es kaum erwarten konnte, zu ihr zu kommen, verstimmte es ihn nicht, von Matthews Familie aufgehalten zu werden. Für sein Gefühl lag das Ribble-Tal auf seinem Weg zum Indischen Ozean. In seinem Bauch brodelte die Liebe, und Leute wie Lettie waren nur Staffagen am Rand der Straße, die ihn zu Bec führte. Nichts, was vor Afrika passierte, konnte ihm etwas anhaben, da war er sicher; er war mit Liebe gewappnet.
Matthews Kinder waren alle im Schulalter. Die sechzehnjährige Rose mit ihren drei Silberreifen am Handgelenk, die als Beobachterin am Rand stand und Abstand zu den anderen hielt; der zwei Jahre jüngere Peter, der sich immer mit dem Zeigefinger die Brille hochschob; Leah, eine zwölfjährige Gefühlsnudel, glücklich, wenn alle beisammen waren, unglücklich, wenn sich zwei ihrer Geschwister stritten und sie nicht mit beiden gut Freund sein
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