Liebe und andere Schmerzen
unterdrücken. Ich musste an das gemeinsame Lesen mit Maria denken. Die Tränen flossen meine Wangen hinunter, benetzten meinen Hals. Bevor ich mir auf dem Rand des Bettes sitzend meine Jeans überstreifte, zog sie mich wieder sanft zu sich: »Was ist los? Sprich mit mir!«, forderte sie mich auf, sanft, aber bestimmt. Ich konnte nichts denken. Nichts sagen. Alle Dämme brachen nun und ich konnte sicher eine halbe Stunde nicht mehr aufhören zu weinen. Irgendwann schliefen wir schluchzend ein, sie hatte längst begonnen, in mein Geheule mit einzustimmen. Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von ihr, ohne ein Wort mit ihr zu sprechen. Mir fiel einfach nichts ein, was ich hätte sagen können, was sich nicht hohl und dumpf angehört hätte. Mir ging durch den Kopf, dass Maria überhaupt nicht mehr da war, nur noch in meinen Gedanken. Vielleicht, so dachte ich mir, würde ich Luise damit verletzen. Vielleicht hätte sie das Gefühl, dass ich ihr nicht vertraute, obwohl ein Junge einem Mädchen eigentlich sehr vertrauen muss, wenn er sich so fallen lässt und in ihren Armen weint.
Kurze Zeit war ich versucht, den Roman »Die Glasglocke« vom Nachttisch zu nehmen und ihr tatsächlich vorzulesen. Um ihr zu beweisen, wie wichtig es mir war, wie wichtig sie mir war. Und weil ich sie bald wieder wild und ungestüm lieben wollte. Doch ich ließ es. Mir war dieses Versprechen wichtig. Ich verabschiedete mich schüchtern. Wir wussten beide nicht, wie wir uns verhalten sollten.
Ich hoffte so sehr auf ihr Verständnis …
Und jetzt saß ich im Englisch-Kurs und beobachtete sie: Würde sie sich umblicken und würde sie mich noch einmal sehen wollen? Ich hatte eine Ahnung von Krankheit und Tod, aber von Mädchen?
Doch ich hoffte ...
Jan Büssers
BIS ANS ENDE UNSERER TAGE
M Zwei Himmelskörper erhellten den Tag. Es war der Vortag der Apokalypse und das Licht jenes lebensspendenden Sterns, genannt Sonne, begann an Helligkeit einzubüßen im Vergleich zu der Strahlkraft des todbringenden Asteroiden, welcher auf Kollisionskurs mit der Erde war.
Der Alltag war zusammengebrochen, als die NASA der Welt verkündet hatte, dass der Jüngste Tag nahe sei. Es waren nunmehr siebenundzwanzig Stunden bis zum errechneten Supergau und alles Beten, Bangen und Hoffen war vergeblich gewesen.
Ich wandelte durch die Straßen auf dem Weg zu der Person, die mir am meisten bedeutete, und mit der ich die letzten Stunden unserer beider Existenz auf Erden verbringen wollte. Monatelang hatte ich um die Liebe dieses Adonis gekämpft und nun, da wir endlich zusammen waren, blieben nur noch ein paar Sandkörner in der Sanduhr des Lebens übrig. Die Zeit lief gegen uns und so beeilte ich mich auf meinem Weg durch die Stadt.
Es war eine bedrohliche Situation, denn Anarchie beherrschte die sonst so wohlgeordnete Stadt. Kriminalität und Wahnsinn waren überall. Die letzten unbeschädigten Geschäfte wurden geplündert, die letzte Chance zur Rache an ungeliebten Personen genutzt und an jeder Ecke stand ein selbsternannter Prophet Gottes, der vom Wahnsinn gepackt, Stellen der Bibel rezitierte und nach seinem Willen beliebig veränderte. Die Angst vor der Nichtexistenz stand jedem ins Gesicht geschrieben und so versuchten die meisten in jenen letzten, unheilvollen Stunden ihren Frieden mit der Welt zu machen.
Unbeschadet erreichte ich die Wohnung meines Boyfriends und als er die Türe öffnete, erstrahlte ein noch helleres Licht als das der beiden Himmelskörper zusammen. Auf der Stelle fielen wir uns in die Arme und er küsste mich. Ein Gefühl der Geborgenheit machte sich breit und als wir endlich in seine Wohnung hineingingen, ließ ich die Welt dort draußen hinter mir. Ich lebte für den Augenblick und wurde ein Sammler von unvergesslichen Momenten.
»Magst du einen Kaffee?«, fragte mich Simon liebevoll.
»Gerne«, antwortete ich ihm und er verschwand in die Küche.
»Auch das noch!«, hörte ich ihn einen Moment später lauthals ausrufen.
»Was ist los?«, fragte ich mit einem besorgten Unterton.
»Es gibt keinen Strom mehr«, war die genervte Antwort meines Freundes. Nach den vorangegangenen Tagen mit Schwankungen in der Stromleitung war nun also auch Schluss mit der Stromversorgung. »Lust auf kalten Instantkaffee?«
»Ja, gerne. Du weißt doch kalter Kaffee macht schön«, war die witzelnde Erwiderung meinerseits und ein leises Lachen drang aus der Küche.
Ich machte mich währenddessen in seinem Wohnschlafzimmer breit, welches sehr
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