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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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meine Angelegenheit.
    Als Don Celzani geendet hatte, fuhr er sich mit einer Hand über den Schopf seiner Perücke und erwiderte ernst: «Die Sache ist heikel.» Dann fragte er nach Vor- und Nachnamen der Lehrerin und welchem Schulbezirk sie angehöre.
    Sowie er alles vernommen hatte, legte er beide Hände auf die Augen und sammelte sich eine Weile lang, als suche er in dieser kleinen weiblichen Heerschar, die ihm Gesicht für Gesicht wie abgelichtet vor Augen stand, nach den physischen und moralischen Merkmalen der Signorina.
    «Aber ja!», rief er auf einmal und nahm die Hände von den Augen, erstaunt, dass ihm eine so originelle Erscheinung nicht auf Anhieb eingefallen war; mit einem langen Blick musterte er den Sekretär, um seine Person mit der ihren zu vergleichen. Dann kratzte er sich vorsichtig mit der Kuppe des Zeigefingers an der Nasenspitze und sagte, sich leicht verbeugend: «Meinen Glückwunsch …», aber es war schon zu spät: Don Celzani hatte verstanden, wie der Vergleich ausgefallen war. Das verletzte ihn allerdings nicht, und er wartete gespannt.
    «Also», begann der Schulrat kurzatmig und nahm ein Blatt Papier vom Tisch, das er dann, ohne den Sekretär anzusehen, immer kleiner zusammenfaltete, «Sie möchten Auskünfte, das ist nur verständlich … privater Natur, wie man zu sagen pflegt. Aber … Ihnen die zu geben ist nicht so leicht, wie Sie vermuten. Denken Sie doch nur, bei fünfhundert Lehrerinnen … wie soll man da wissen … Und dann einen solchen Haufen Dinge im Kopf, Scherereien, Ärger. Richtig, wir haben einen ganz schrecklichen Winter. Jede Menge Fehlzeiten in allen Sektionen … Man könnte meinen, die verheirateten Lehrerinnen hätten sich abgesprochen, um ausgerechnet in diesem Monat die Bevölkerung zu vermehren. Diese verflixten Lehrerfamilien … Ist sie krank, fehlt er auch, ist der Mann krank, fehlt die Frau, und wenn das Kind krank ist, fehlen alle beide. Ganz zu schweigen von den Fräulein, die sich bei jedem Luftzug erkälten … Und dann gibt es die wiederkehrenden Unpässlichkeiten. Schauen Sie hier die Sektion Savoyen», und er zeigte eine Abwesenheitstabelle, «das reinste Krankenhaus. Was wollen Sie machen? Ständig den Amtsarzt zur Kontrolle nach Hause schicken? Um Himmels willen, nein! Abgesehen davon ist es nicht immer schicklich. Für jedes unentschuldigte Fehlen sollte es ein Bußgeld geben. Aber … wie soll man das durchsetzen? Entweder man hat Zweifel, oder man hört auf sein Herz oder … Ich versichere Ihnen, werter Signor Celzani, das ist eine ernste Angelegenheit, eine wirklich sehr ernste Angelegenheit.» Und hier stieß er ein Keuchen aus, wie nach einem anstrengenden Lauf.
    Mit einer respektvollen Geste lenkte der Sekretär die Aufmerksamkeit des Schulrats zurück auf das Thema.
    «Ah!», sagte der, «Sie sind ja wegen der Auskünfte hier. Eben, wie ich Ihnen erzählt habe, stellen Sie sich vor, was für ein Aufwand, Hunderte von Signorine zu beaufsichtigen, von denen der Großteil jung ist, viele … vielleicht zu viele … hübsch, lebhaft, sehr viele unabhängig, über eine große Stadt verstreut, in den Vororten, zwei, drei Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen. Man tut sein Möglichstes, sicher, wie es der Anstand gebietet. Aber wir können doch kein Polizeikorps aufstellen für die Verehrer der Lehrerinnen. Auch muss man die persönliche Freiheit – innerhalb vernünftiger Grenzen – respektieren. Das ist eine sehr heikle Sache. Und Sie können sich ja gar nicht vorstellen … die Denunziationen, die versteckten Racheakte, die Intrigen … Wir bekommen einen Haufen anonymer Briefe.» Hier ging ihm einen Augenblick lang die Luft aus. «Es gibt da Persönchen, die uns zur Verzweiflung bringen – auch ohne eigene Schuld, es ist die Schuld von Mutter Natur, die sie geschaffen hat, wie sie sind –, die alle Blicke auf sich ziehen. Von allem anderen ganz zu schweigen: von den endlosen Klagen der Familien, die über uns hereinbrechen, wegen einer ungerechten Note, wegen eines unverdienten Verweises, weil es in der Schule zu kalt oder zu heiß ist, wegen Husten, Ohrenschmerzen und Augenleiden. Und dann Damen, die beleidigt sind wegen eines Worts, Lehrerinnen, die sich verfolgt fühlen, Direktorinnen … diese verflixten Direktorinnen, sie sind wie die Äbtissinnen früherer Zeiten … Und nehmen Sie dann noch ein ganzes Knäuel von Problemen hinzu wegen jeder Einstellungsprüfung, jeder Versetzung, jeder Belobigung, jeder Strafe … bedenken Sie nur

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