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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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    Oder: « ‹ Endlich atme ich, o Nike. › 30 Bravo, Herr Sekretär!»
    Und der antwortete mit einer komischen Gebärde, wie um zu sagen: «Es ist alles vorbei.» Und so ging das den ganzen Monat März.
    Woraufhin er … einen Rückfall erlitt und schlimmer verliebt war als zuvor.
    Aber wie denn auch nicht, großer Gott! In den ersten Tagen der neuen Jahreszeit hatte die Pedani ein Kleid aus leichter brauner Wolle angelegt, mit schrägen Streifen in schwarzer Seide, ganz schlicht, ein Fähnchen, das inklusive Schneiderarbeit vielleicht dreißig Lire gekostet haben mochte und vielleicht sogar fehlerhaft geschnitten war; aber die eigentliche, wunderbare Schneiderin war die Person, die das Kleidchen ausfüllte und zurechtzog, es den verführerischsten Linien anschmiegte, die ein Bildhauer bei einer Göttin sehen kann. An manchen Tagen, wenn sie vom Turnen nach Hause kam, zu manchen Stunden verliehen Luft, Sonne und die physische Bewegung ihren Gliedern so etwas wie den warmen Glanz reifer Jugend, die Frische des Körpers einer Schwimmerin, die eben dem Wasser entsteigt, ein Flair, das sie um sich verbreitete wie den betörenden Duft eines blühenden Baums. Und wenn sie raschen Schritts an Don Celzani vorbeiging, sagte sie «Guten Tag» zu ihm, mit dem Klang einer Oboe, hoch und tief zugleich, dass es wirkte wie ein unwillkürlicher Schrei der Lust, der mittendrin abbrach. Drei oder vieren solcher Begegnungen hielt der arme Don Celzani stand, dann verlor er den Kopf: Er gab das «Café Monviso» auf, das Theater, die Freunde, die Virginiazigarren, seine Schlendereien durch Turin und das kecke Betragen; und von seiner kühnen einmonatigen Rebellion blieb nichts weiter übrig als die türkisfarbene Krawatte.
    Aber während dieses Monats hatte er nachgedacht, und Frucht dieses Nachdenkens war, dass er mit der neuen Jahreszeit auch seine Liebestaktik änderte: Er bemühte sich, seiner Leidenschaft den Anschein einer gelassenen Freundschaft zu geben. Kein Auflauern mehr, keine flehenden Blicke, keine bangen Grüße mehr, keine bewundernde Stille. Er gesellte sich oben an der Treppe zur Maestra und ging mit ihr hinunter, dabei redete er über irgendwas, über das Wetter, über den Stundenplan in der Schule, über eine Reparatur, die erledigt werden musste, über einen Mieter, über eine Lappalie, nur um zu reden und sie zu unterhalten, sie an seine Gesellschaft zu gewöhnen und sie zu überzeugen, dass sie von nun an mit ihm zusammen sein konnte, ohne dass er in seine früheren Liebeserklärungen verfiel. Und das gelang ihm. Wohl vermutete sie vage, dass diese neue Haltung einen Hintergedanken, eine weiter reichende Absicht verbergen könnte; aber insgesamt war sie beruhigt, schließlich konnte man sich mit ihm unterhalten, zumal er abgesehen von seiner verrückten Liebe ein wohlerzogener Mensch und ein guter Kerl war, der ihr nicht missfiel. Auf diese Weise begann sich eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen herauszubilden.
    Die Sache wurde noch begünstigt durch eine neuerliche Kriegserklärung der Maestra Zibelli, die ihre Freundin wieder allein gehen ließ. Folgende komische Begebenheit hatte sich zugetragen: Als die beiden Freundinnen auf der Piazza Solferino zum ersten Mal beide gemeinsam den blonden Maestro vom Jugendgefängnis «La Generala» trafen und dieser sie ansprach, hatte sich nach wenigen Sätzen herausgestellt, dass er die Zibelli irrtümlich mit der Pedani verwechselt hatte, die er nur dem Namen nach kannte und wegen ihrer Artikel bewunderte; und die Zibelli musste mit ansehen, wie Verehrung und Bewunderung, die zuvor ihr gegolten hatten, nun in doppeltem Maß der anderen entgegengebracht wurden. Von dieser Entdeckung völlig niedergeschmettert, verbrachte sie schreckliche Tage, an denen sie die Freundin von früh bis spät quälte, sich mit großer Inbrunst der Religion zuwandte und jeden Morgen in die Kirche ging; sie schloss Freundschaft mit den frommen Damen aus dem ersten Stock, trug einen schwarzen Schleier vorm Gesicht, fastete Freitag und Samstag und widmete ihre ganze freie Zeit Büchern über die Askese, in denen sie auch nachts eifrig las. Obendrein verschärfte in diesen Tagen ein außergewöhnliches Ereignis den Neid auf die gymnastisch-literarischen Triumphe ihrer Freundin, den sie seit einer Weile zu verspüren begann, noch mehr. Der Minister für das Unterrichtswesen, Guido Baccelli, hielt sich damals gerade in Turin auf. Er kam eines Morgens mit dem Bürgermeister, dem Assessor

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