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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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und großem Gefolge unangekündigt in die «Scuola Margherita», während die Pedani gerade Turnunterricht gab. Die war völlig unbeeindruckt, ließ ihre Schülerinnen Aufstellung nehmen und rhythmische Schritte ausführen, mit solchem Abwechslungsreichtum, solcher Präzision und unter so beherzten Kommandos, dass der Minister ihr – ein wenig deswegen, ein wenig wegen ihrer schönen Erscheinung – wärmstes Lob aussprach und sie dann in ein Gespräch über die Methoden der englischen Gymnastik verwickelte, das ihn noch mehr beeindruckte als die Übungen. Die Zeitungen berichteten von der Sache und druckten ihren Namen, und das bedeutete Ruhm. Nicht nur die Zibelli wurde neidisch: Maestro Fassi war außer sich. Außerdem wurde die Pedani in diesen Tagen auch noch als Gymnastiklehrerin zu den Nonnen von San Vincenzo in Cottolengo berufen. Eine so unerhörte Serie von Erfolgen war ja bald nicht mehr auszuhalten und lediglich durch versteckte Protektion zu erklären. Nun bildete sich der Maestro ein, wer ihr all diese Vergünstigungen zukommen lasse, sei der Commendatore Celzani, auf Drängen seines Neffen. Und er konnte es sich nicht verkneifen, diesem gegenüber deutlich zu werden.
    «Es ist eine Schande», sagte er eines Tages völlig unvermittelt zu ihm, «da gibt es Gymnastiklehrer, die sich seit zwanzig Jahren studierend bemühen, ohne je eine Vergünstigung oder auch nur die gebührende Anerkennung zu erhalten, während andere sich breitmachen und alle Ehrungen einheimsen, bloß weil sie einen Rock tragen. Das ist eine widerwärtige Schieberei, ich werde das in die Presse bringen.»
    Der Sekretär tat so, als verstünde er nicht. Doch diese Verstellung bestätigte den Maestro nur in seiner Meinung, sodass er der Pedani gegenüber aus Eigennutz weiterhin den Schein von Freundschaft wahrte, den Sekretär aber nicht mehr grüßte, Signora Fassi desgleichen. Damit waren es nun schon drei, die ihm wegen der Maestra den Krieg erklärt hatten.
    Doch Don Celzani, unerschrocken und unbeirrbar, arbeitete weiter an der Verwirklichung seiner Pläne, indem er versuchte, ihre Freundschaft zu gewinnen. Eines Tages bereitete er ihr eine echte Freude, als er ihr eine Nummer des «Ginnasta triestino» mitbrachte, die ihm zufällig in die Hände gefallen war und einen Artikel über den Feuertanz enthielt. Ein anderes Mal brachte er ihr eine Nummer der «Tribuna», die der Onkel bezog und worin die negative Antwort wiedergegeben war, die das Institut für Hygiene der Stadtverwaltung Rom allen Schulleitungen erteilt hatte, die angefragt hatten, ob es schicklich sei, die Schüler mit verschränkten Armen dazusitzen zu lassen. Die Maestra war sehr erfreut über das Geschenk und sagte, sie habe das Thema bereits selbst in einem Artikel behandelt. Aber der Sekretär bereitete ihr noch ganz andere Überraschungen. Seit einiger Zeit war er stark versucht, bestimmte Gespräche mit ihr anzufangen, auf die er sich entsprechend vorbereitete; aber dann wagte er es nicht. Eines Tages wagte er es doch. Als sie ihm sagte, dass sie einen Anatomiekurs besuche, erwiderte er schüchtern: «Die Anatomie … Sie tun gut daran, denn ohne dieses Wissen kennt man den … physiologischen Wert der einzelnen Übungen nicht, und ohne das lassen die Übungen sich nicht … physiologisch klassifizieren, was aber eine sehr nützliche Einteilung ist.»
    Überrascht sah die Maestra ihn an und stimmte zu. Das war ein erster Schritt. An einem anderen Tag fasste er noch größeren Mut und fragte sie, wie sie über den Einsatz von Geräten denke.
    Auch von dieser Frage war sie angenehm überrascht. Und sie antwortete ihm: Sie stehe nicht aufseiten derer, die übermäßigen Gebrauch davon machten und die Turnsäle in Arenen für Akrobaten verwandeln wollten, was auf die Familien abschreckend wirke und eine echte Gefahr sei; aber auch denjenigen, die in die andere Richtung übertrieben und sie überhaupt abschaffen wollten, könne sie nicht recht geben. Wo käme man denn da hin? Zu einer kindischen Turnerei, die bei den jungen Menschen eben nicht jene ganz besondere, für alle unentbehrliche Fähigkeit fördere: den körperlichen Mut nämlich, ohne den man später in keiner riskanten Situation, wo Zivilcourage verlangt sei, bestehen könne, außer um den Preis peinlicher und lächerlicher Verrenkungen.
    Don Celzani pflichtete ihr mit wiederholtem Kopfnicken bei. «Ich bin auch überzeugt», sagte er, nach Worten suchend, «dass man die vollkommene Entwicklung

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