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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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Menschheit das Hirn zermarterte, das schien ihm doch der Gipfel der Unverschämtheit, und unterstützt von seiner Frau, hatte er einen regelrechten Streit mit dem Sekretär, im Zuge dessen er freche Bemerkungen über die Pedani machte. Dann setzte er ihn unter Drohungen vor die Tür und ging sich beim Professor beschweren. Der warf Don Celzani vor, seinen Auftrag schlecht ausgeführt und einen Professor wie einen Flegel hingestellt zu haben, tadelte ihn, war beleidigt über seine Entgegnungen und würdigte ihn keines Blickes mehr.
    Mit sämtlichen Hausbewohnern an diesem Treppenaufgang hatte er sich nun also überworfen. Doch damit nicht genug. Seine Zerstreutheit und seine Reizbarkeit gaben seit einer Weile auch den Mietern im anderen Teil des Hauses Anlass zur Klage; und da sich die Kunde von seiner Verliebtheit, die der Grund war für all diese Umwälzungen, herumgesprochen hatte, redeten alle über ihn, offen oder hinter vorgehaltener Hand, ohne jede Rücksicht. Also, die Art, wie dieses verkrachte Pfäfflein sich darauf versteifte, eine Frau zu begehren, die nichts von ihm wissen wollte, schien eine schamlose Anmaßung, ein Indiz für lächerlichen Hochmut oder sogar Verblödung. Und sie erwiesen ihm nicht einmal die Ehre, sein Gefühl Liebe zu nennen: Es mussten die lüsternen Fantasien eines in die Jahre gekommenen Seminaristen sein, das konnte man ihm doch an den Augen ablesen. Ja sie erzählten von brutalen Überfällen, die er im Treppenhaus auf die Signorina verübt haben sollte, sie nannten ihn ein Schwein und sahen ihn scheel an. Dann gingen sie zu kleinen Gemeinheiten über, auf die er mit ebensolchen Gemeinheiten antwortete. Sie reizten ihn so sehr, dass er schließlich selbst zum Provokateur wurde. Da beschwerten sich etliche Mieter brieflich beim Commendatore, einige erwähnten die skandalöse Liebesleidenschaft, die Unverschämtheit, mit der er der Maestra nachstellte, Szenen, die sich auf der Treppe und im Hauseingang abspielten, sodass Mütter nicht mehr unbehelligt mit ihren Töchtern aus dem Haus gehen konnten und womöglich den Fächer vors Gesicht schlagen mussten. Alle miteinander machten einen solchen Wirbel, dass der Commendatore schließlich eines Tages die Geduld verlor und beschloss, den Neffen, wenn er zum Abendessen käme, ein letztes Mal zu verwarnen. Indessen wollte er nicht die allerhärtesten Worte wählen, weil ein Billett der Pedani ihn in gute Laune versetzt hatte, mit dem sie ihn für den übernächsten Tag zu einer gymnastischen Darbietung der «Figlie dei militari» einlud, bei der er tiefschürfende Beobachtungen anstellen wollte. Aber er wurde ärgerlich, als er den Sekretär auftauchen sah, bleich, staubbedeckt und einen Verband um den Kopf. Er fragte ihn, was er habe. Der Sekretär sagte es ihm. Im Turnsaal (er ging nach wie vor hin, auch nachdem er alle Hoffnung verloren hatte, nur um seine Nerven zu beruhigen), wo er sich (aus Verzweiflung) eine viel zu schwierige Übung am Schwebebalken vorgenommen hatte, war er mit dem Fuß abgerutscht, war gestürzt und mit dem Kopf auf dem Stützbalken aufgeschlagen. Der Commendatore ärgerte sich darüber und nannte es eine Narrenposse. Dann sagte er ihm klipp und klar, mit einer Strenge, wie er sie ihm gegenüber noch nie an den Tag gelegt hatte, dass er genug habe von seiner Schlamperei, von seinem ungeordneten und unanständigen Leben und von den Klagen, die ihn von allen Seiten erreichten; dass dieser Skandal ein Ende haben müsse, und wenn er sein Verhalten binnen einer Woche nicht radikal geändert habe, werde er ihn aus dem Haus jagen. Er habe schon jemand anderen im Auge. Mit diesen Worten und nachdem er ihm eröffnet hatte, dass er zu Abend zu speisen wünsche, und zwar allein, ließ er ihn stehen.
    Da überkam Don Celzani tiefste Verzweiflung, und in seinem zerrütteten Geist sah er nur noch zwei Möglichkeiten: nach Genua aufbrechen und sich dort nach Amerika einschiffen oder in Turin bleiben und sein kleines Vermögen mit Prassereien und Tollheiten durchbringen, um sich zu betäuben und zu vergessen. Auf jeden Fall musste er dieses Haus auf der Stelle verlassen, da das Leben hier nicht länger zu ertragen war. In aller Stille packte er bis tief in die Nacht seine Sachen. Dann warf er sich angekleidet aufs Bett. Aber er konnte nicht schlafen. Fiebrig glühend lauschte er zum letzten Mal den gewohnten Geräuschen. Und in dieser Nacht gab es ständig etwas zu hören. Der lang erwartete Kongress der Volksschullehrer war vor

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