Liebe und Marillenknödel
eine Frechheit!
» Wieso seid ihr eigentlich so versessen darauf, dass ich verkaufe?«, frage ich misstrauisch.
» Wir? Versessen? Wir wollen dir helfen, mehr nicht!« Lydia verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust. » Wir dachten, du würdest dich freuen, wenn dir jemand mit juristischem und finanziellem Know-how unter die Arme greift.«
» Na Sophie, was ist?«, fragt Helena unbeirrt.
Ich starre sie an. So freundlich hat sie mich in ihrem ganzen Leben nicht angesehen. Ihre Augen strahlen aufmunternd, und ihr Lächeln ist so breit, dass ich ein Petersilienblättchen erkennen kann, das zwischen ihren Backenzähnen hängt. Ich starre auf ihren lächelnden Mund, die aufgerissenen Augen, das gepuderte Näschen.
Und mit einem Mal bin ich ganz klar im Kopf. Ich weiß jetzt, was zu tun ist. Die beiden können mir mal gestohlen bleiben. Diese ganze Stadt kann mir mal gestohlen bleiben. Ach was, mein ganzes Leben!
Sophie von Hardenberg, du bist 33 Jahre alt, und vielleicht ist das endlich der Zeitpunkt, deinem Leben eine andere Richtung zu geben. War Tante Johanna nicht auch in deinem Alter, als sie nach Südtirol gegangen ist?
Ach was, sie war sogar noch jünger!
Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe Helena herausfordernd an. Dann sage ich mit entschlossener Stimme: » Alrein wird nicht verkauft. Unter gar keinen Umständen.«
5
» Na, Schätzchen, was wolltest du mit uns besprechen«, sagt meine Mutter, nachdem sie beim Kellner eine Flasche Voss-Mineralwasser und eine sündhaft teure Flasche Smaragd-Veltliner aus der Wachau bestellt hat. Unnötig, einen Blick in die Karte zu werfen – ich kann mit Sicherheit sagen, dass es der drittteuerste Weißwein auf der Karte ist. Sie bestellt immer den drittteuersten Weißwein auf der Karte. Das ist ihre Strategie, um nicht in Verdacht zu geraten, einer von den Menschen zu sein, die einfach blind den Wein mit dem höchsten Preis auswählen, nur um den Eindruck zu erwecken, sie hätten tatsächlich Ahnung.
» Na ja«, sage ich und bin froh, dass ich nicht sofort weiterreden muss, denn in diesem Augenblick treten zwei Kellner an den Tisch und sind erst einmal damit beschäftigt, uns mit einer » Auswahl von Tomatenbrot, Haselnussbrot, Kräuterciabatta und Kürbiskerndinkel« und mehreren Schälchen voll » hausgemachtem Kräuterquark in Variationen« auszustaffieren. Gläser werden mit Mineralwasser gefüllt, dann tritt der Sommelier an den Tisch, um den Wein zu präsentieren. Meine Mutter zeigt auf meinen Vater, der im Gegensatz zu ihr in der Lage ist zu erkennen, ob ein Wein korkt oder nicht. Während er den Wein kreisen lässt und fachmännisch die Nase ins Glas taucht, bestreicht sie, offensichtlich sehr zufrieden mit dem Service des Edelweiß, mit spitzen Fingern ein Stückchen Brot und versucht, möglichst damenhaft davon abzubeißen.
Eigentlich hätte ich mich am liebsten unmittelbar nach dem Streit mit den Zwillingen auf den Weg nach Südtirol gemacht. Ich brenne geradezu darauf, diesen Hexen einen Strich durch die Rechnung zu machen und die Sache in die Hand zu nehmen. Aber natürlich ist auch mir klar, dass ich dort nicht einfach aus heiterem Himmel auftauchen und mich dem Personal als neue Chefin vorstellen kann. Na gut, ich könnte es wahrscheinlich schon, aber ich heiße nun mal nicht Lydia. Also habe ich beschlossen, die Sache offiziell zu machen und meine Eltern in meine Pläne einzuweihen. Ich kann ja nicht einfach so den ganzen Sommer lang verschwinden, zumal ich in einer Wohnung wohne, die ihnen gehört, und wie ich von Südtirol aus meine Arbeit machen will, werden sie sich auch fragen. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass sie mich bei meinem Vorhaben unterstützen. Finanziell, meine ich. Ich glaube kaum, dass Tante Johanna große Reserven hatte, und bis auf die popelige Abfindung, die ich vom Verlag bekommen habe, liegen meine leider in den Kassen verschiedener Kneipenbesitzer im Schanzenviertel.
Um Mama und Papa milde zu stimmen, habe ich ein Abendessen im Edelweiß vorgeschlagen. Wer etwas erreichen möchte, muss einen Schritt auf die Gegenpartei zugehen, das empfiehlt wirklich jeder Verhandlungsratgeber. Aus diesem Grund trage ich heute auch die spitzen Schuhe mit den schmalen Absätzen, die mir meine Mutter mal geschenkt hat, weil sie die Blockabsätze und Plateaus, mit denen ich sonst versuche, größer zu wirken als 1,62 Meter, ordinär und klobig findet. Ich bin heilfroh, dass Sarah mich in dem Aufzug nicht sehen kann. Ich habe
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