Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
Vom Netzwerk:
würde«, jammert sie.
    Sagte ich’s nicht? Ich liege am Boden, und sie? Schnürt die Wanderstiefel und trampelt auf mir herum wie auf einem Karton, der nicht in die Altpapiertonne passen will.
    » Was wird denn jetzt aus dir? Kümmert Jan sich wenigstens um dich?« Sie rüttelt aufgebracht an Papas Arm. » Leonhard, sag doch auch mal was!«
    » Ich habe mit Jan Schluss gemacht«, sage ich mit fiepsiger Stimme und wische mir eine Träne aus dem Gesicht.
    Meine Mutter schaut mich an und versucht nicht mal zu verbergen, wie sehr sie um Fassung ringt. Jan war das Schönste, was ich je für sie getan habe: Sohn eines erfolgreichen Marzipanfabrikanten, Anzugträger, mit Fondsdepot. Ihm hat sie es sogar verziehen, ebenfalls in der Verlagsbranche beschäftigt zu sein – und das will wirklich etwas heißen. Von den finsteren Seiten, die ich später von ihm zu sehen bekam, habe ich ihr mit Rücksicht auf ihre Herzgesundheit nie etwas erzählt.
    » Mit Jan Schluss gemacht!«, ruft sie, wendet sich meinem Vater zu und tut so, als würde ich mich nicht einmal im Raum befinden. » Ich sag es ja schon immer. Deine Tochter ist übergeschnappt, und zwar völlig!«
    Das reicht. Ich springe wutentbrannt auf, fast fällt dabei mein Stuhl um.
    » Na, und! Besser übergeschnappt als … als … als …« Ich ringe nach den richtigen Worten, aber mir will einfach nichts Passendes einfallen. Stattdessen schmeiße ich meine Serviette auf den Stuhl, nehme meine Handtasche und stolpere natürlich, als ich zum Ausgang stürme. Scheißabsatzschuhe! Als ich draußen bin, fange ich an zu heulen, genau vor den Augen dreier Männer in Anzügen, die rauchend um einen Standaschenbecher stehen.
    Herrje! Wohin jetzt? Ich stolpere um die Ecke und lande in einem Hinterhof, in den offenbar die Lüftungsrohre aus der Küche führen, zumindest riecht es nach Frittierfett und Fisch. Hinter den Mülltonnen entdecke ich einen Mauervorsprung, auf den setze ich mich. Ich krame ein Tempo aus der Handtasche, schließe die Augen und schnäuze mich so kräftig, dass ich fast Sternchen sehe.
    Als ich die Augen wieder öffne, sitzt mein Vater neben mir.
    » Na, Pünktchen?«, sagt er und schaut mich an.
    Das hat er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesagt. Ich habe es geliebt, wenn er mich so nannte. Er hat den Namen für mich erfunden, als ich einmal mit besonders vielen Sommersprossen auf der Nase aus den Ferien kam.
    Fast fange ich schon wieder an zu heulen, diesmal vor Rührung. Ich habe das Bedürfnis, meinen Kopf an seine Schulter zu lehnen, aber ich habe Angst, dass dann bei mir alle Schleusen aufgehen und ich überhaupt nicht mehr aufhören kann zu flennen. Außerdem ist Papa so dick geworden, dass ich nicht sicher bin, ob ich überhaupt an seine Schulter komme oder ob mein Kopf dann nicht nur auf seinem Oberarm liegt.
    » Harte Zeit für dich, was?«, sagt er und legt mir sanft die Hand auf den Arm.
    Ich nicke.
    » Das wird schon wieder«, sagt er mit weicher Stimme. Doch dann holt er schnaufend Luft. » Also, Pünktchen. Pass auf. Eines musst du wissen. Ich unterstütze dich in allem, was du tust. Verstehst du? In allem. Aber trotzdem, ich muss dich das fragen, denn ich verstehe einfach nicht, was du in Südtirol willst. Eine Pension zu führen ist harte Arbeit, und völlig von der Außenwelt abgeschnitten bist du dort auch. Warum willst du dir das antun? Wenn du die Pension nicht verkaufen willst, dann stell irgendjemanden ein, aber mach es nicht selber! Außerdem fände ich es feige von dir, jetzt einfach zu flüchten, bloß weil du Angst hast, nicht gleich einen neuen Job zu finden.«
    Er sieht mich mit großen Augen an, und ich spüre, wie sich in meiner Brust eine Wand errichtet, aus Abwehr und Trotz. Ich meine, natürlich hat das alles etwas damit zu tun, dass ich Angst habe, hier in Hamburg arbeitslos vor mich hinzudarben. Und natürlich hat er recht – wenn es einzig darum ginge, dass sich Tante Johannas letzter Wille erfüllt, könnte ich auch einfach irgendeinen Geschäftsführer mit Erfahrung im Gastgewerbe engagieren.
    Aber ich bin mir ganz sicher: Alrein weiterzuführen ist genau das, was ich jetzt will. Ein Gasthof in den Alpen, den freundliche Menschen besuchen, um sich wohlzufühlen. Die Stille des Berges. Das Gewusel, wenn die Gaststube voll ist. Gebraucht zu werden, ohne überfordert zu sein. Herzlichkeit schenken. Und kein Mann, der mir das Herz am Ende bricht.
    Klarheit, das ist es, was ich in Alrein finden werde. Kontrolle. Und nie

Weitere Kostenlose Bücher