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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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Sellastock, Marmolada … Ich fand die Namen lustig, das Zickzack der Gipfel aber eher langweilig, und fragte mich ohnehin, wie man auf die Idee kam, Unterschiede zwischen den Bergen zu machen. Ich meine – wo, bitte schön, hört der eine auf und fängt der andere an?
    Aber damals war ich ein Kind, das sich vom Urlaub in den Bergen vor allem Marillenknödel versprach. Heute raubt mir das imposante Panorama den Atem.
    Obwohl, Marillenknödel wären natürlich auch nicht schlecht. Die von Tante Johanna waren im ganzen Gadertal bekannt, sie waren wahnsinnig fluffig und teigig und süß. Ich weiß noch, wie ich manchmal in die Küche gelaufen bin, wenn es die Zwillinge mal wieder auf mich abgesehen hatten. Ich versteckte mich im Vorratsraum, harrte mit pochendem Herzen aus, bis der neapolitanische Koch von Tante Johanna zu mir kam. Mit einem Augenzwinkern reichte er mir einen Knödel, einfach so, auf einer Untertasse. Ich schloss die Augen, schmeckte den weichen Teig, das säuerliche Obst, die buttrigen, braunen Brösel. Klar, irgendwann musste ich wieder hinaus, das wusste ich selber. Aber für einen kurzen Moment konnte ich in dem fantastischen Gefühl versinken, dass ich den beiden Biestern entkommen war. Mann, was war ich um diese Momente dankbar!
    Ob der Koch noch da ist? Wie hieß der gleich wieder, Giacomo? Giovanni?
    Gianni, das war’s. Und plötzlich fällt mir auch wieder ein, dass er nicht aus Neapel, sondern aus Sizilien kam.
    Plötzlich überkommt mich ein wahnsinniger Hunger. Außer einem Creamcheese-Bagel in dem Coffeeshop in Veras Straße und einer Packung Baci -Pralinen, die ich gleich an der ersten Raststätte auf italienischem Boden gekauft habe, habe ich heute noch nicht viel gegessen. Vielleicht nehme ich sogar erst eine Portion Gulaschsuppe, und die Marillenknödel danach.
    Jetzt sind es nur noch ein paar Meter. Plötzlich fällt mir ein, wie Tante Johanna früher jeden Neuankömmling schon vor der Tür erwartet hat, mit strahlendem Lächeln und einem Tablett mit Gläsern und einer Flasche Marillenschnaps, der in der Sonne glitzerte. Diese Begrüßung war eines der wichtigsten Rituale in Alrein, und wenn Johanna gerade unten im Tal war und auch das Zimmermädchen keine Zeit dafür hatte, mussten wir Kinder den Schnapsempfang übernehmen. Das hat großen Spaß gemacht, denn egal, ob der Reisende mühsam hochgekraxelt war oder sich dem Taxi-Messner anvertraut hatte – oben angekommen, war wirklich jeder für ein Schlückchen dankbar.
    Ein sanfter Schauder überkommt mich, als ich mir vorstelle, wie der Alkohol gleich in der Kehle brennen und mich sanft, aber energisch wieder auf die Erde bringen wird. Das wird herrlich! Da sehe ich doch auch schon jemanden, einen Mann mit weißem Hemd, genau, so gehört sich das. Aber warum rennt er denn schon wieder weg? Ach so, er muss den Schnaps ja erst noch holen.
    Der Taxi-Messner stoppt neben dem kleinen Carport, in dem wie immer und zu meiner Beruhigung Tante Johannas pinkfarbener Fiat parkt, schaltet den Motor ab, klettert vom Fahrersitz und lädt die Koffer aus. Zwanzig Euro verlangt er, das ist nicht wenig, aber na ja. Er tippt sich an den Tirolerhut, steigt wieder in den Wagen, wendet, gibt Gas. Ich lausche dem Geräusch hinterher, der Jeep verschwindet im Tal.
    Da stehe ich. Vor meiner Pension. Der Mann im weißen Hemd taucht nicht mehr auf, weder mit Schnaps noch ohne. Vielleicht war er gerade so beschäftigt, dass er mich gar nicht bemerkt hat? Na ja. Ich schleppe mein Gepäck zur Eingangstür und drücke die Klinke herunter. Dahinter ist es dunkel. Und ohrenbetäubend laut. Ein Radio spielt » Der Anton aus Tirol« von DJ Ötzi.

7
    Ich trete hinaus auf den Balkon. Es ist erst neun Uhr abends, und doch hat sich die Nacht bereits tief übers Tal gesenkt. Tausende, ach was, Millionen Sterne leuchten da oben, der ganze Himmel funkelt, dramatisch wie ein Paillettenkleid. Für einen kurzen Moment ist alles still.
    Wirklich still.
    Ich kann es kaum glauben. Mein Herz macht einen Hüpfer, und ich schicke einen Wunsch in die Dunkelheit, dem ich nachsehe wie einer Rakete an Silvester.
    Herr, mach, dass er sie ausgemacht hat.
    Herr, mach, dass es tatsächlich vorbei ist.
    Nicht, dass ich religiös wäre oder so etwas, immerhin komme ich aus einer Familie, die ausschließlich an Bargeld glaubt (in Ausnahmefällen vielleicht noch an den Teufel, zum Beispiel, als ich mir mit siebzehn mal eine grüne Strähne ins Haar gefärbt habe). Aber im Augenblick bin ich

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