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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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kurz davor, zum Katholizismus zu konvertieren. Wenn mein Wunsch nach Stille nicht erhört wird, drehe ich noch durch, aber wirklich.
    Ich habe mich nämlich geirrt. Es war gar kein Radio, das bei meiner Ankunft DJ Ötzi spielte. Es war eine CD . Ich weiß das so genau, weil sie seither in Endlosschleife gelaufen ist. Kaum war das letzte Lied verklungen, ging das erste wieder los, ohne jedes Erbarmen.
    Ich bin so schön … ich bin so toll … ich bin der Anton aus Tirol …
    Die CD gehört Jirgl, dem neuen Hauswirt. Nachdem ich die Haustür aufgestoßen und ohne Erfolg den Lichtschalter ausprobiert hatte, schickte ich ein zittriges »Hallo?« ins Dunkel des Flures, da kam er mit schweren Schritten aus der Gaststube und baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor mir auf. Er sah selbst ein bisschen aus wie DJ Ötzi, mit dem roten, fettigen Gesicht, der rausgewachsenen Blondierung und der riesigen Wampe, die er nicht nur in der Bauchgegend hatte, sondern auch am Nacken, an den Schultern und unterm Kinn. Dazu dieser stiere Blick – als würde er in der Dorfdisco sämtliche Saufwettbewerbe in Folge gewinnen. Nicht, dass er betrunken wirkte. Nur wie einer, der es genießt zu vernichten.
    » Ich … ich bin Sophie von Hardenberg«, sagte ich stockend, obwohl er sich das ja denken musste, wenn er den Anrufbeantworter abgehört hatte. Mit einem Mal war ich so eingeschüchtert, dass ich es nicht einmal wagte, ihm zur Begrüßung die Hand entgegenzustrecken. Stattdessen wischte ich mir hektisch eine Haarsträhne aus dem Gesicht und bemühte mich um ein sympathisches Lächeln. Doch das verrutschte mir spürbar im Gesicht, als Jirgl, ohne irgendwelche Anstalten zu irgendwas zu machen, mit dem Kopf in Richtung Treppe nickte und sagte: » Der Alten ihr Zimmer isch oben.«
    » Okay«, sagte ich, als wüsste ich das nicht. Der Alten? Was für eine Frechheit! Was für ein Empfang!
    Jirgl sah mich an wie einen nervigen Bettler, der einfach nicht sein Hosenbein loslassen will.
    » Tja«, sagte ich, zwang mein Lächeln zurück in Position und deutete nach draußen. » Dann werd ich wohl mal mein Gepäck holen.«
    » Guad«, sagte Jirgl, drehte sich um und stapfte zurück in die Gaststube. Nicht, dass ich nach dem Auftritt noch erwartet hätte, dass er mir tragen hilft, aber er verschwand nicht nur, sondern drehte die Musik sogar noch lauter.
    Ich verspürte den Impuls, Jirgl hinterherzumarschieren, den Stecker aus der Wand zu reißen und ihm ins Gesicht zu schreien, dass Alrein ein Ort der Ruhe ist und Tante Johanna deshalb Musik verboten hat, zumal so laute und schlechte. Andererseits: Gleich mal für miese Stimmung zu sorgen, noch bevor ich richtig angekommen war, war bestimmt nicht günstig im Sinne positiver Mitarbeiterführung. Also stapfte ich wütend nach draußen, um mein Gepäck zu holen.
    Ich bin so schön … ich bin so toll … ich bin der Anton aus Tirol …
    Die CD lief, als ich meine Koffer allein durch den weiß getünchten Flur und die knarrende Holztreppe hinauf in den ersten Stock zerrte, wo sich hinter der Tür, auf die mit weißem Lack eine kleine »7« gepinselt war, Johannas Zimmer befand. In Alrein schlafen die Angestellten mitten unter den Gästen, Tante Johanna wollte das so. Niemand sollte sich wie in einem Hotel fühlen, sondern eher als Gast bei guten Freunden. Die Musik lief auch, als ich das Bett mit weißer Bettwäsche bezog, die immer noch nach frisch gemähter Spätsommerwiese roch, obwohl sie bestimmt den ganzen Winter über im Schrank gelegen hatte. Sie lief, als ich meine Handtücher auf die Porzellanhaken neben der Waschkommode hängte und die wenigen Kleidungsstücke, die noch in Johannas unbemaltem Bauernschrank lagen, in eine leere Kiste packte (ich tat das schnell und versuchte, dabei nicht daran zu denken, dass sie tot war). Sie lief, als ich das Licht ausnutzte und einen Streifzug ums Haus machte, den Brennholzstapel an der Rückseite begutachtete, einen Blick in den Geräteschuppen warf und dann die Wiesen drum herum auskundschaftete, alle vier schmalen Pfade, die das Grundstück kreuzen. Sie lief, als ich versuchte, eine Blume mit den Zehen auszureißen und darüber nachdachte, wie man es eigentlich angeht, eine Pension zu führen. Selbst am höchsten Punkt des Hanges, ganz oben am Waldrand, wo es weiter geht in Richtung Peitlerkofel, hat man den Beat noch gehört – stumpf und dumm.
    Ich möchte nicht wissen, wie es erst in Jirgls Hirn aussieht.
    Eigentlich möchte ich

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