Liebe und Marillenknödel
kommt schon wieder so ein DJ Ötzi. Dieser hier hat ein Piercing in der Augenbraue und die Haare schwarz gefärbt. Irgendwo muss ein Nest sein.
» Rindsgulasch«, wiederholt er spöttisch und mustert mich von oben bis unten, als gäbe es an mir irgendetwas Interessanteres zu sehen als Ballerinas, ein Paar Boyfriend-Jeans und ein weißes T-Shirt, auf dem ein Schattenriss Che Guevaras abgedruckt ist.
» Genau, Rindergulasch«, sage ich.
» Wolln Sie mir am End a sogn wos für oanz?«, sagt er mit genervter Stimme. » Schaufelbug? Wadschenkel? Oberschale?«
Also wirklich – er muss doch nicht gleich so sauer reagieren!
» Das, was heute am besten ist«, erwidere ich schnippisch, ohne auch nur den blassesten Schimmer zu haben, was genau die Unterschiede sind.
» Heit am besten«, wiederholt er, offensichtlich angewidert von meiner Unkenntnis. » I woas ned, was heit am besten ist, aber normalerweise is es für Gulasch die Oberschal.«
» Na also, dann nehme ich wohl die Oberschale«, sage ich und versuche dabei so viel Coolness aufzubringen, wie in dieser Situation noch möglich ist.
Viel ist es nicht, und ich spüre, wie sich meine Gesichtshaut mit Hitzeflecken überzieht.
» Warum sogstas denn ned glei«, grummelt er und verschwindet im Hinterzimmer.
Es gibt doch Menschen, die den Begriff » Arschloch« in völlig neue Dimensionen katapultieren.
Diese Schlaglöcher! Diese Serpentinen! Oh, tut mir der Hintern weh. Ich schlage die Tür meines Allrad-Pandas zu, werfe einen Blick auf die gegenüberliegenden Gipfel, die heute bedrohlich nahe stehen, und hieve meine Taschen ins Haus – natürlich ist es nicht bei den Zutaten fürs Gulasch geblieben . Neben neuem Deo und einem Vorrat Fünf-Minuten-Terrinen habe ich mir sämtliche deutschsprachigen Zeitschriften in den Wagen gepackt, die ich finden konnte. Hätte ich auch nicht gedacht, aber kaum ist man mal vier Tage ohne Telefon, Internet oder Fernseher auf einem Berg, fühlt man sich in einem Supermarkt wie eine Verdurstende, die in der Wüste Sahara tatsächlich auf die Punica-Oase gestoßen ist.
In der Küche packe ich die Einkäufe aus und reihe sie auf der Arbeitsfläche aus Edelstahl auf. Mir wird fast ein bisschen schwindelig. Ausgerechnet ich soll daraus etwas kochen? Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass Gianni mir dabei hilft – aber der war eben spurlos verschwunden, genauso wie die Jirgls. Ganz ehrlich, ich habe mit dem Gedanken gespielt, sie alle drei zu feuern.
Aber dann fiel mir ein, dass ich dann bloß noch ein weiteres Problem hätte: Ich wäre ganz alleine hier oben. Und bei dem Gedanken fühle ich mich erst so richtig schlecht, leider.
Wie bescheuert: Ich habe keine Probleme, einen Typen wegen Untreue für alle Zeiten zu verlassen, aber völlig unbrauchbare Mitarbeiter kann ich nicht rausschmeißen, weil ich Verlustängste habe.
Gut bloß, dass ich Tante Johannas Kochbuch habe – und das Beste: Unter dem Rezept ist mit kleiner, fester Handschrift der besondere Kniff des Hauses hinzugefügt: kurz vor dem Servieren etwas gemahlenen Kümmel und die geriebene Schale einer halben Zitrone unterrühren. Ich bin im Besitz des Alreiner Geheimtricks, da kann gar nichts mehr schiefgehen. In Zukunft bekommt hier niemand mehr Dosenfutter serviert. Ab sofort wird sich hier etwas ändern!
Wagemutig schlage ich die Seite mit dem Rezept auf.
Gadertaler Gulaschsuppe. Zubereitung, steht da, und: Als Erstes die Zwiebeln schälen und würfeln …
12
Ich reiße das Küchenfenster auf, damit der Geruch nach verbranntem Gulasch in die Bergluft entflieht, dann laufe ich hinaus in den Flur, um nachzusehen, wer da eben » Hallo« rief. Tatsächlich, in der Eingangstür steht Kundschaft – ein Mann in weißem Leinenhemd und Wanderschuhen, neben ihm eine Blondine, die sich das Haar zu zwei Zöpfen geflochten hat und ein zum Pink ihres Lippenstifts passendes Dirndl trägt. Das Kleid ist brandneu, so viel ist sicher, genauso wie die Timberland-Boots an ihren Füßen. Die Frau sieht aus, als wolle sie sich um einen Platz in » Die Alm« bewerben – und er, als sei er wahnsinnig stolz, sich so einen Gina-Lisa-Lohfink-Verschnitt angelacht zu haben.
Tante Johanna hat mir mal erzählt, dass es solche Touristen in Südtirol immer öfter gibt und dass sie sich zuweilen auch nach Alrein verirren: Frisch verliebte Paare aus dem nördlichen Teil Deutschlands, die sich für ein romantisches Abenteuer in den Dolomiten als Einheimische verkleiden und so tun, als sei das
Weitere Kostenlose Bücher