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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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überzuziehen und die Zimmer zu putzen, und zwar alle. Ich habe Herrn Jirgl damit beauftragt, sämtliche Glühbirnen im Haus zu kontrollieren. Und die Wasserhähne zu entkalken, aus denen das Wasser in alle Richtungen spritzt. Und den Stuhl aus der Gaststube zu leimen, der gestern unter mir zusammengekracht ist. Wahrscheinlich gäbe es noch viel mehr zu renovieren, aber um alles auf einmal kann ich mich auch nicht kümmern.
    Und dann ist da noch eine Sache, aber die haben die beiden möglicherweise noch nicht mitgekriegt: Ich habe das Stromkabel der Stereoanlage konfisziert. Es liegt neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich werde es unten im Dorf in einen Mülleimer schmeißen. Der Spuk hat jetzt nämlich ein Ende.
    Entschlossen setze ich ein Stückchen zurück und lenke den Wagen um die Kurve … geschafft. Damit wäre das Schlimmste doch wohl hoffentlich überstanden.
    Himmel, bin ich erleichtert, als ich endlich die Metzgerei betrete. Vorhin hätte ich die Suche fast schon aufgegeben. Als ich vorhin am Sankt Damianer Marktplatz anhielt und einen Jungen fragte, ob es hier einen guten Fleischer gebe, sah er mich an, als käme ich vom Mars. Oder aus Afrika. Vielleicht ist er einfach ein bisschen langsamer als die anderen, dachte ich, immerhin hatte er versucht, sich als Bill Kaulitz zu verkleiden, und das, obwohl ja schon lange kein Karneval mehr war. Also stellte ich die Frage noch einmal. » Ein guter Fleischer«, wiederholte ich. Zur Antwort zündete er sich eine Zigarette an, drehte sich um und ging weiter. Sitten sind das hier auf dem Land! Zum Glück kam daraufhin eine ältere Dame vorbei, die ich fragen konnte. Sie beugte sich zu mir runter, sah mich ungläubig an und sagte: » An Fleisch hauer moansch, oda?«
    Äääh, ja. Fleisch hauer. Ich nickte einfach mal, und sie erklärte mir total umständlich einen Weg, der nirgendwohin führte. Nur zufällig fand ich am Ende doch noch die Metzgerei, auf die kein Schild, keine Reklametafel, kein Schriftzug hinwies. Ich wäre glatt daran vorbeigefahren, hätte nicht gerade ein Wagen mit Anhänger vor der Einfahrt geparkt, aus dem ein Mann mit Tirolerhut drei süße, rosige Schweine trieb.
    Ich muss sagen, das hat mich dann doch ein bisschen schockiert. Ich meine, mir ist natürlich schon klar, dass Wurst und Schinken und so … und dass das eben alles aus toten Tieren gemacht wird und … aber … Also, was ich sagen will: In Hamburg gibt es bestimmt auch einen Schlachthof, aber das Einzige, was man davon als normaler Mensch zu sehen kriegt, sind leckere Würste in dünnen Scheiben, gerne mit Grinsegesicht oder Bärchenmotiv. Auf alle Fälle kann es einem da, wo ich herkomme, nicht so leicht passieren, dass man sein Schnitzel vor dem Verzehr noch durch die Gegend trippeln sieht.
    » Guten Tag … äh … Grüß Gott«, sage ich und gehe auf die Theke zu.
    » Hoi«, sagt der Fleischer und baut sich hinter der Theke auf. Ich meine natürlich: der Fleisch hauer. Ist ja auch die Berufsbezeichnung, die die Sache besser trifft. Der Mann sieht aus wie Fritz Jirgl, nur ohne Blondierung. Aber er ist mindestens genauso breit und hat eine ebenso rote Visage. Wenn Hunde und ihre Herrchen sich häufig ähnlich sehen, dann gleicht der Typ seinen Schweinen aufs Haar.
    » Ich hätte gern zwei Kilo Gulasch«, sage ich freundlich.
    » Ha?«
    Wow. Der Mann kann gleich zwei ganze Silben. Hoi und Ha.
    » Zwei Kilo«, wiederhole ich und halte ihm Daumen und Zeigefinger entgegen. » Gulasch.«
    Meine Güte, diese Eingeborenen. So ähnlich muss Robinson Crusoe sich gefühlt haben, als er zum ersten Mal versucht hat, sich mit Freitag zu unterhalten.
    » Vom Rind oda vom Notscher?«
    » Hä?«
    Ich wollte natürlich sagen: Wie bitte?
    Aber so bin ich eben. In ein neues soziales Umfeld integriere ich mich oft schneller, als mir lieb ist.
    » Rind o-der Schwei-hiin?«, wiederholt er, wobei er jede Silbe auf eine Weise betont, als hätte er jemanden vor sich, der komplett bescheuert ist. Ich finde das ein bisschen unhöflich. Ich spreche eben kein Gadertalerisch. Und ein bisschen verwirrt bin ich jetzt auch. Eben haben sie drei Schweine hinten reingetrieben – wie kommt der Mann auf die Idee, da hätte irgend jemand noch Lust auf Schweinegulasch!
    » Rind«, sage ich.
    » Rind«, wiederholt er höhnisch. Dann ruft er mit fieser Stimme nach hinten: » Franz! Hier san zwoa Kilo Rindsgulasch.«
    Ja, und? Ich weiß wirklich nicht, was daran jetzt bitte falsch sein soll.
    Die Tür geht auf, und heraus

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