Liebe und Marillenknödel
spüle die Waschschüssel und begebe mich erneut in den Krieg mit den Federbetten. Ich nehme mir auch noch einmal die Fenster vor, und tatsächlich, nachdem ich sie ein zweites Mal poliert habe, sind fast keine Streifen mehr zu sehen.
Geht doch.
Danach mache ich zwei weitere Zimmer. Nicht, dass ich mit einem unterwarteten Gästeansturm rechnen würde, aber sicher ist sicher. Außerdem wird hier etwas in Bewegung geraten, das ist beschlossene Sache. Wenn ich bloß schon wüsste, wie.
Während ich Staub wische, die Fenster reinige, die Böden sauge und schrubbe, gehe ich meine Optionen durch. Viele sind es nicht, aber so langsam lichtet sich der Nebel. Ich meine, ich habe in meinem Leben genügend Marketingbücher lektoriert, und wenn es eine Sache gibt, die ich daraus gelernt habe, dann ist es die: Ein Produkt, das erfolgreich sein soll, muss zunächst einmal gut sein. Und dann muss es bekannt gemacht werden. Wie? Ich habe da schon eine Idee.
In Zimmer drei liegt so viel Staub, dass ich zwischendurch das Gefühl habe, ich müsste die gesamte Wüste Sahara aufwischen. Der Schmutz nimmt kein Ende, es ist fast so, als würde er nur den Ort wechseln und sich immer dort niederlassen, wo ich ihn gerade entfernt habe. Es dauert ewig, aber irgendwann habe ich alles so weit, dass ich jemanden darin unterbringen kann.
Ich will gerade das Putzzeug in die Kammer räumen, da höre ich von draußen das Geräusch eines Motors. Ich spähe durchs Fenster. Es ist bereits dunkel, und ich erkenne nicht viel – nur die Scheinwerfer von Jirgls Jeep, die in der Nacht leuchten wie die Augen eines hungrigen Tiers, das sich langsam seiner Beute nähert.
Ich stelle den Besen in die Ecke, schließe die Putzkammer ab und wische mir die Hände am Hosenboden sauber.
Und jetzt zu euch, denke ich, und gehe die Treppe hinunter, den zweien entgegen.
13
Ha, da schauen sie – wie zwei Kälbchen wenn’s blitzt. Herr Jirgl sieht mit rotem Kopf zu Boden, und Frau Jirgls Blick geht zwischen den Fingernägeln ihrer rechten und denen ihrer linken Hand hin und her, als suche sie darauf nach einer Erklärung.
» Noch eine Nachlässigkeit«, schiebe ich hinterher, » und Sie sind gefeuert, alle beide!«
Das saß. Herr Jirgl zuckt zusammen und betrachtet seine Schuhspitzen so intensiv, dass man denken könnte, er würde die Zehen darin röntgen. Frau Jirgl guckt gar nicht mehr, sie starrt ins Nirgendwo, und ihre Augen füllen sich mit Tränen.
Okay, Sophie. Jetzt bloß kein Mitleid kriegen.
» Haben Sie das verstanden?«, frage ich und erhebe die Stimme noch einmal. Manchmal muss man sich selbst davon überzeugen, stark zu sein, ganz einfach, indem man es ist.
Eigentlich finde ich schreiende Vorgesetzte ja vollkommen lächerlich. Und ich habe mehr als einen Autoren dazu gezwungen, in seinem Führungskräfte-Ratgeber ein kritisches Kapitel zum Thema Nervöse Rambos und andere Aggros, die in der Chefetage nichts verloren haben unterzubringen. Aber damals habe ich nicht geahnt, wie gut es tun kann, einfach mal alles rauszulassen. Ganz ehrlich, das befreit. Plötzlich kann ich viel besser atmen, bis in den Bauch hinein. Und ich habe endlich wieder das Gefühl, die Fäden in der Hand zu halten.
Hinzu kommt, dass das die einzige Sprache zu sein scheint, die die Jirgls verstehen. Zum ersten Mal, seit ich hier bin, wirken sie so, als hörten sie mir tatsächlich zu.
» Ich habe Sie etwas gefragt«, sage ich und sehe Frau Jirgl streng an. » Haben Sie das verstanden?«
» Ja«, antwortet sie leise. Sie hebt kaum den Kopf dabei. In ihrem Augenwinkel hat sich ein schwarzer Tropfen gebildet, der langsam Spur in Richtung Wange nimmt.
» Und Sie, Herr Jirgl?«
Jirgl nickt. » Ja«, krächzt er schließlich. » Habe verstanden.«
» Okay«, sage ich mit einer Stimme, die so ruhig ist, dass ich selbst darüber staune. » Dann würde ich vorschlagen, dass Sie sich an die Arbeit machen.«
Frau Jirgl lässt sich die Möglichkeit, der Situation zu entkommen, nicht entgehen. Tränen laufen ihr übers Gesicht, als sie an mir vorbei in den ersten Stock läuft. Sie ist so schnell weg, dass mein Mitleid mit ihr sich in Luft auflöst. Dieses feige Luder! Wahrscheinlich beeilt sie sich bloß, um endlich ihr Make-up zu kontrollieren.
Herr Jirgl hingegen bewegt sich nicht von der Stelle.
» Ähm«, macht er schüchtern und ohne den Blick von den Schuhspitzen zu nehmen. Mist. Ich hatte eigentlich gehofft, dass das Gespräch hiermit beendet sei.
» Gibt es noch
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