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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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sehr gute Idee«, sagt Frau Jirgl und fängt umstandslos an, Tisch um Tisch von den Decken zu befreien – hässliche, orange und braun geblümte Plastikdecken, die aussehen, als seien sie bereits in den Siebzigerjahren aus der Mode gewesen. Am Ende hat sie beide Arme voller Planen und läuft schnell nach draußen, um sie irgendwo zu deponieren.
    Es ist unglaublich. Als ich vor zwei Wochen vorgeschlagen habe, die hässlichen Dinger zu entfernen, hat sie darauf bestanden, dass sie bleiben müssten, wo sie sind.
    » Die liebe Frau Johanna hat sie angeschafft, kurz bevor der schlimme Unfall passiert ist«, hat sie gepiepst. Da hatte ich natürlich Skrupel, sie auf den Müll zu bringen. Ich Idiotin.
    » Sieht doch gleich ganz anders aus«, lobt Caren den Raum, als die Tischdecken verschwunden sind. Und sie hat recht. Der Gastraum wirkt viel heller und freundlicher. Jetzt müsste man nur noch draußen ein paar Blümchen pflücken und sie in kleinen Glasvasen auf die Tische stellen, so wie Tante Johanna es immer getan hat.
    » Ja, des hab ich auch immer gedacht«, sagt Frau Jirgl mit stolzer Stimme. » Das pure Holz ist viel schöner! Vielleicht verteilen wir auch noch Vasen auf den Tischen. Ich pflück mal eben draußen ein paar Bleamer.«
    Und schon verschwindet sie ins Freie. Ich starre ihr hinterher, als hätte ich eine Fata Morgana gesehen oder ein exotisches Tier. Frau Jirgl trägt nämlich weder Leo-Print noch Pink – sondern Rock, Bluse, Schürze und tatsächlich: ein Häubchen.
    » Und du musst wirklich schon gehen?«, frage ich, als ich Vera Stunden später hinausbegleite. Caren ist bereits draußen und verstaut ihre Fotosachen in dem Jeep vom Taxi-Messner. Unsere Mägen sind prall mit Knödeln gefüllt, wir haben zwei Flaschen Vernatsch getrunken, und ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als dass die beiden noch ein wenig blieben. Wir würden eine weitere Flasche aufmachen, und dann noch eine, und alles wäre gut und warm und richtig.
    » Bleibt doch über Nacht«, sage ich. » Es wird gerade dunkel. Wir könnten den Ofen anmachen und noch ein bisschen zusammensitzen, und dann würdest du mein schönstes Zimmer kriegen und …«
    Vera dreht sich zu mir um und sieht mich an, und plötzlich merke ich, dass ich doch ganz schön … äh … angeschickert bin. Eigentlich weiß ich ja, dass sie nicht bleiben kann. Caren muss unbedingt noch heute nach München zurück und Vera muss morgen früh in der Redaktion sein.
    Der Taxi-Messner wird die beiden gleich zu dem Parkplatz bringen, auf dem ihr Wagen steht. Von da an sind es noch etwas mehr als drei Stunden nach München. Um Mitternacht werden die beiden zu Hause sein. Und ich bin endgültig allein.
    » Ach, Sophie«, sagt Vera und nimmt meine Hand. » Wir haben morgen früh Heftkonferenz, und wenn ich Alrein noch in der nächsten Ausgabe unterbringen will, dann muss ich da hin, verstehst du?«
    Ich nicke, und mir kommen fast die Tränen. Es hat so gutgetan, wieder einmal Gesellschaft zu haben, und ich habe zum ersten Mal in diesen dreieinhalb Wochen, die ich jetzt da bin, gespürt, wie sehr mir meine Freunde fehlen. Wie sehr ich es vermisse, dass jemand mit mir lacht und alles ganz leicht ist. Vielleicht sollte ich die dritte Flasche einfach alleine trinken.
    Hm, besser nicht.
    » Es war herrlich bei dir«, sagt Vera. » Und ich komme ganz bestimmt bald wieder!«
    Ich nicke heftig, als könnte ich mir so den Kloß aus der Kehle schütteln.
    » Mach’s gut«, sage ich leise. » Und danke.«
    » Bald hat es mit der Einsamkeit ein Ende«, sagt sie zuversichtlich und drückt meine Hand. Dann lässt sie mich stehen und steigt in den Wagen. Der Taxi-Messner startet den Motor, der Jeep wendet und fährt los. Ich winke ihm hinterher und winke immer noch, als er längst außer Sichtweite ist. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Hund, den sie an einer Autobahnraststätte festgebunden haben – die Familie fährt in den Urlaub, der Bernhardiner bleibt zurück.
    Manchmal macht Alkohol echt melancholisch.
    Als ich zurück ins Haus gehe, muss ich mich an der Wand festhalten, so betrunken bin ich. Wenn ich es mir genau überlege, haben Vera und ich gar nicht zwei Flaschen zusammen getrunken. Sie hatte allenfalls zwei Gläser und ich den Rest. Ich war so glücklich, dass ich mir immer wieder eingeschenkt habe, in der Hoffnung, dass der Abend immer noch schöner wird und nie wieder aufhört.
    Ich werfe noch einen Blick in die Küche, wo Gianni gerade unsere Teller spült.

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