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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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    Der Spaziergänger bleibt stehen und kramt in der Tasche, die ihm über der Schulter hängt. Wahrscheinlich sucht er seine Wanderkarte, um zu sehen, wie er in möglichst großem Bogen an Alrein vorbeikommt.
    Na los doch, mach schon!
    Doch jetzt zieht der Wanderer eine Kamera aus der Tasche, eine richtig große, mit Objektiv und offensichtlich ohne Display, denn er hält sie sich vors Gesicht. Er zielt in meine Richtung, geht nach links und nach rechts und plötzlich in die Knie. Es sieht aus, als würde er mich fotografieren, deshalb versuche ich, obwohl mich die Dreistigkeit seines Handelns sauer macht, gut auszusehen. Ich strecke mein Kreuz durch und versuche, die Lippen zu entspannen, doch plötzlich läuft der Fotograf quer über die Wiese, den Berg hinauf und verschwindet hinter einer Anhöhe.
    Hey, denke ich.
    Ich stehe auf und eile zurück zur Pension. Doch der Fotograf scheint die Abkürzung quer über die Wiesen genommen zu haben, denn als ich in Alrein ankomme, sehe ich, wie er auf einem der Stühle auf der Terrasse steht und versucht, ins Haus reinzuknipsen.
    » Hey«, rufe ich. » Was machen Sie denn da?«
    Der Fotograf nimmt die Kamera herunter und dreht sich zu mir um. Es ist gar kein Mann, sondern eine burschikos gekleidete junge Frau in meinem Alter.
    » Entschuldigung«, sagt sie und steigt vorsichtig zurück auf die Erde. Offensichtlich hat sie nicht damit gerechnet, überrascht zu werden.
    Ich gehe ein paar Schritte auf sie zu und überlege, mit welchem Spruch ich sie anfahren soll, da erklingt hinter mir eine Stimme.
    » Hey«, höre ich und drehe mich um. Aus der Ferne nähert sich eine zweite Frau, mit Hotpants und Sonnenbrille.
    » Hey, Sophie! Das ist ja total geil hier!«
    Ich fasse es nicht. Es ist Vera, meine Freundin aus München.

16
    » Etwas mehr nach rechts!«, ruft Caren, und ich mache einen Schritt in die von ihr gewünschte Richtung.
    » Nein, nicht ganz so weit!«
    Ich folge und tripple ein bisschen weiter nach links. Zum Glück sind meine Blasen weitgehend abgeheilt, sonst könnte ich nicht so ohne Weiteres auf Zehenspitzen posieren.
    » Und kannst du den Wäschekorb noch ein wenig näher zu dir rücken?«
    Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es so anstrengend ist, fotografiert zu werden. Ich bücke mich, ziehe den alten Weidenkorb, den wir vorhin im Schuppen gefunden haben, noch ein bisschen näher heran, dann gehe ich wieder auf die Zehenspitzen und tue so, als sei ich gerade darin versunken, an der langen Leine, die über die Wiese hinter dem Haus gespannt ist, Wäsche aufzuhängen.
    Gott sei Dank haben wir nicht nur den Weidenkorb, sondern auch noch weiße Wäsche gefunden. Das Foto einer blond gelockten Hüttenwirtin, die sich nach rosafarbenen Leinentüchern reckt, würde vielleicht eventuell die falsche Kundschaft locken. Japaner zum Beispiel, die lieben solchen Kitsch. Und würden überhaupt keinen Spaß verstehen, wenn sie plötzlich vor einer Waschschüssel aus Email stünden, statt in einem Bad mit beheizbarem Bidet und Pflegeprodukten von Shiseido.
    » Noch ein bisschen höher!«
    Ich recke mich noch weiter nach oben. Langsam tun mir echt die Beine weh. Mehr als eine halbe Stunde machen wir jetzt schon herum mit diesem Pensionswirtin-hängt-in-der-Sonne-flatternde-Wäsche-auf-Motiv. Was vermutlich an mir liegt. Es haben schon haufenweise Leute versucht, meine Sommersprossen-Visage halbwegs ansehnlich auf Celluloid zu pressen. Entweder ich blinzle, sobald es blitzt, oder ich gucke so dermaßen katzenhaft-verführerisch drein, dass ich dabei ein Doppelkinn kriege. Schon der Fotograf damals im Kindergarten hatte dieses Problem.
    » So ist’s super!«, ruft Caren plötzlich.
    Oh, wirklich? Ich merke, wie ich den Kopf ganz automatisch ein bisschen höher hebe.
    » Herrlich!«, ruft sie und knipst. » Du machst das ganz, ganz toll!«
    Ich spüre, wie mir eine leichte Röte über die Wangen fliegt und fühle mich tatsächlich ein bisschen sexy. Ich gehe noch etwas mehr auf die Zehenspitzen, schiebe das Becken leicht nach vorne und hoffe, dass das in meinem Kittelkleid halbwegs gut aussieht – und nicht nur irgendwie schwanger.
    » Super!«, ruft Caren und nimmt die Kamera herunter. Sie strahlt richtig. » Da sind jetzt ganz sicher ein paar tolle Bilder dabei. Wollen wir mal nach Vera sehen? Ich brauch unbedingt eine Pause!«
    Erschöpft, aber glücklich gehen wir zurück zur Terrasse, wo Vera an einem der Tische in der Sonne sitzt und irgendetwas in ihr

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