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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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zurücklächeln will?
    » Brauchst du was aus der Stadt?«
    Da steht er in der Tür, die Armeejacke über der Schulter, den Schlüssel zu Tante Johannas Fiat in der rechten Hand. Man sieht ihm an, dass er nicht aus Nettigkeit fragt. Er ist bloß höflich – weil ich seine Chefin bin.
    » Nur das, was wir brauchen, danke«, sage ich und schenke ihm ein kurzes Lächeln, während ich weiter die Schneidemaschine bediene. Schinkenscheibe um Schinkenscheibe landet auf der Platte, unbeirrt, wie trockenes Laub, das sich auch nicht aufhalten lässt, von den Bäumen zu fallen.
    » Gut, ich fahr dann mal.«
    » Ja, mach das.«
    Okay, ich geb’s zu. Es verletzt mich, dass er nicht netter zu mir ist. Denn eigentlich … eigentlich ist er jemand, den ich mögen könnte, also rein theoretisch. Die Art und Weise, wie er die Küche führt, gefällt mir, und wie er mit den Jirgls umgeht, das beeindruckt mich richtig. Er scheint überhaupt keine Angst zu haben, vor allem nicht davor, dass man ihn nicht mögen könnte, und ich glaube, genau dafür mag ich ihn. Also, rein theoretisch. Er ist nicht so verdruckst wie ich in vielen Situationen. Das ist wahnsinnig professionell und angenehm.
    Nur mir gegenüber hat er einen Ton, der irgendwie anders ist. Mir gegenüber klingen seine Anweisungen nicht einfach sachlich, sondern kalt und distanziert.
    Plötzlich rutsche ich ab, komme mit dem Daumen an das rotierende Messer, ich erschrecke, schreie auf, der Schinken fällt mir aus der Hand und Blut quillt aus meiner Fingerkuppe. Mist!
    » Ist was passiert?«
    Nick war schon fast aus der Tür gewesen, jetzt steht er plötzlich wieder in der Küche. Er kommt auf mich zu, doch statt zu antworten, stecke ich den Finger in den Mund und starre ihn an. Ich spüre, wie mir eine Träne über die Wange kullert. Eine einzige, einsame Träne. Keine Ahnung, wo die jetzt plötzlich hergekommen ist.
    » Alles in Ordnung?«, fragt er, und ich nicke stumm. » Ich hol Verbandszeug«, sagt er.
    Ich nicke noch einmal. Mit einem Schlag habe ich einen Riesenkloß im Hals.
    Als Nick endlich das Verbandszeug gefunden hat, habe ich mich zum Glück schon wieder eingekriegt – ich hasse es, vor anderen Leuten zu flennen. Ich nehme den Finger aus dem Mund und sehe, dass es nur ein winzig kleiner Schnitt ist. Eigentlich ist nur die Haut durchtrennt, zumindest sieht es nicht so aus, als würde die Wunde tiefer gehen. Beinahe schäme ich mich, als Nick mit großem Ernst die Wunde mit Jodsalbe betupft, dann mit Wundauflage belegt und schließlich eine dicke Schicht Mullbinde um die Daumenkuppe wickelt. Ich schätze, ein Pflaster hätte genügt.
    » So«, sagt er und verschließt den Verband mit einem Streifen Hansaplast. » Du wirst sehen, das verheilt wie nix.«
    Er blickt auf und lächelt mich auf einmal an, und ich lächle zurück, und plötzlich … ich weiß auch nicht … wird mir plötzlich ganz warm und auch ein bisschen übel.
    » Also«, sagt er und bekommt wieder seinen blöden Gesichtsausdruck. » Ich bin spät dran.«
    » Ja«, sage ich, dabei wäre ein » Danke« deutlich angebrachter gewesen. Aber ich kriege das Wort nicht über die Lippen. » Tschüss«, will ich noch sagen, aber nicht einmal das bekomme ich hin. Nick verschwindet durch die Haustür, ohne sich umzudrehen.
    Ich höre, wie er den Motor startet und den Rückwärtsgang einlegt, wie er wendet und dann langsam den Weg hinabfährt.
    Noch Minuten später schaue ich in diese Richtung.
    Und plötzlich weiß ich, woher die Träne kam. Mit einem Mal wird mir klar, wie sehr ich mir wünsche, endlich mal wieder jemanden um mich zu haben, der mich gern hat, wenigstens ein bisschen. Ich meine, ich bin doch kein Arschloch, oder? Aber alle hier oben hassen mich, als sei ich die kaltherzigste und unfähigste Chefin der Welt. Vielleicht sollte ich doch lieber zurückkehren zu meinen Büchern. Die sind wenigstens geduldig.
    Herrgott, Sophie!
    Dieses Herumgejammere wird dir auch keine Sympathiepunkte einbringen. Mit Jammern erntet man nicht einmal Mitleid! Komm, reiß dich zusammen. Heute ist eben einfach nicht dein Tag, also mach nicht so eine große Sache daraus. Außerdem ist es ohnehin total bescheuert, zu denken, deine Mitarbeiter müssten dich mögen. Der Koch ist ein Koch, der Hauswirt ein Hauswirt und das Zimmermädchen ein Zimmermädchen. Hör endlich auf zu versuchen, mit deinen Angestellten befreundet zu sein! Steht nicht auch in allen Karrierebüchern, dass du nirgendwo so einsam wie in der Chefetage

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