Liebe und Marillenknödel
Servieren zu konzentrieren, doch dass ich dabei ständig zu Nick in die Küche muss, macht das nicht gerade einfach. Als alle Gäste gegessen haben, fange ich an, die Gaststube fürs Abendessen einzudecken, aber auch das lenkt mich nicht ab von dem Pochen in mir. Ich poliere hier ein paar Gläser und verteile dort Geschirr, aber egal, was ich tue, nichts macht mich zufrieden. Und ich weiß auch, wieso das so ist: Weil ich nicht zufrieden bin.
Ich muss mich mit ihm aussprechen, das ist die einzige Lösung. Ich muss ihm klarmachen, dass ich mich nach unserer gemeinsamen Nacht auf eine Art und Weise verhalten habe, für die er mich nicht bestrafen muss, weil ich mich selbst genug dafür schäme.
Reden. Oh weh.
Um ehrlich zu sein, ich rede nicht gerade gerne. Und über Gefühle schon gar nicht. Das heißt, wenn ich mich freue, rede ich natürlich schon, oder wenn ich etwas schön finde. Aber wenn ich Mist gebaut habe? Mich für mein Verhalten schäme? Weiß, dass eine Entschuldigung ansteht?
Puh.
Noch weniger gern rede ich nur über Sex. In Frauenzeitungen tun sie immer so, als sei es kein großes Ding, darüber zu sprechen, aber ganz unter uns, ich finde es schrecklich.
Das ist wahrscheinlich Sache der Erziehung. Im Hause von Hardenberg existiert überhaupt kein Vokabular für solchen Kram. Kinder werden » beim Umarmen« gezeugt und weibliche wie männliche Geschlechtsorgane heißen einheitlich » Pipi«. Denn dazu sind sie da, und nicht etwa, um sich damit zu vergnügen.
Das soll nicht heißen, dass ich total verklemmt bin. Zumindest im Bett bin ich es nicht, wenn man die Dinge tut, statt über sie zu sprechen, also in der Praxis. Aber in der Theorie? Da werde ich rot und stammle wie ein Fünftklässler, den man beim Spannen erwischt hat.
Nun ja. Der Sex wird ja wohl hoffentlich ohnehin nicht zur Sprache kommen. Ich kann mich ja nicht einmal mehr daran erinnern.
Reden, uffz. Wie stelle ich das nur an?
Nick, übrigens, also neulich, da in Hamburg …
Nick, wir müssen reden …
Nick, ich wollte mich übrigens noch entschuldigen …
Aber vielleicht sehe ich doch erst mal auf der Terrasse nach, ob alle Gäste versorgt sind. Als Chefin muss man private Probleme schon mal hintanstellen können.
Leider ist dort niemand mehr, nur noch ein rauchendes Pärchen, das mit dem Essen bereits durch und dessen Wasserflasche noch ganz voll ist.
Ich frage die beiden, ob sie einen Kaffee möchten. Sie wollen nicht. Dafür bringe ich ihnen einen frischen Aschenbecher.
Reden!
Ich kontrolliere die Bäder, wische eine Pfütze auf und wechsle die Handtücher.
Ich muss die Sache ansprechen, aber alles in mir sträubt sich dagegen. Außerdem fällt mir gerade auf, dass Flecken auf meinem Kleid sind, deshalb gehe ich auf mein Zimmer, mache eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser aus dem Waschkrug und schlüpfe in ein frisches Kleid, das schwarze mit den weißen Punkten. Ich bürste mein Haar und lege etwas Rouge auf Wangen, Stirn und Dekolletee.
Leider fühle ich mich dadurch der Sache auch nicht besser gewachsen, nur ein bisschen hübscher.
Na ja, was soll’s. Los, du Drückebergerin. Auf in den Kampf.
Ich gehe die Treppe hinunter, der Weg kommt mir unglaublich weit vor.
Ich öffne die Küchentür.
Da steht er. Nick.
Er hat die Kochjacke ausgezogen und scheint irgendetwas zu kneten, zumindest bemerkt er nicht, dass ich in der Türe stehe und ihn beobachte. Es ist richtig süß, dass man ihm sogar von hinten ansieht, wie total versunken er in seine Arbeit ist. Wie aufgerichtet sein breiter Rücken ist, wie angespannt sein Nacken. Plötzlich muss ich wieder daran denken, wie ich ihn in meinem Bett entdeckt habe. Er war ganz braungebrannt damals, und ist es komischerweise noch immer. Er scheint zu den Menschen zu gehören, die selbst im tiefsten Winter noch gesund aussehen. Ständig Urlaub wird er als Koch ja kaum machen.
Ich starre ihn immer noch an und beobachte, wie sein Trizeps bei jeder Bewegung an- und abschwillt … sogar sein T-Shirt spannt sich über seinen Schultern.
Um Gottes Willen, Sophie! Was ist denn los mit dir? Ein Mann liegt nackt in deinem Bett, und du kriegst Panik – aber wenn er erst einmal abweisend zu dir ist und dich behandelt wie eine dumme, uninteressante Idiotin, dann bist du plötzlich scharf auf ihn? Bist du wirklich so ein Klischee?
Möglicherweise ja, fürchte ich.
Aber das sind Gedanken, die ich jetzt besser nicht vertiefe. Ich bin schließlich zum Reden hier.
» Hey«, sage ich und
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