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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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und Butter, erste schmutzige Gläser. Manche Gäste nehmen vor dem Essen einen Aperitif, viele wollen erst einmal ein Bier hinunterstürzen, bevor sie dann zum Wein übergehen. Da kommt ganz schön was an Geschirr zusammen.
    Sein Blick fällt auf den Stapel, dann auf Frau Jirgl , die sich einen Teller mit Ragout von der Anrichte genommen hat und ihn nun gemächlich hinüber in die Gaststube trägt. Ich habe mich ja längst daran gewöhnt, dass sie nicht gerade der Speedy Gonzales unter den Kellnerinnen ist, doch Nick scheint ihre Art schon nach ein paar Minuten auf die Palme zu bringen.
    » Frau Jirgl?«, ruft er ihr nach. Sie bleibt stehen, dreht sich um und zieht ein Gesicht, als müsse sie nicht einen Teller mit Fleisch, sondern den Nachttopf ihres toten Großvaters in die Gaststube tragen.
    » Was soll das werden?« An seiner Schläfe ist eine Ader bedenklich weit hervorgetreten.
    » Was denn?«
    Entweder sie hat wirklich keine Ahnung, was er meint, oder sie ist eine bessere Schauspielerin, als ich dachte.
    » Frau Jirgl, was halten Sie von der Idee, vielleicht, sagen wir … zwei Teller gleichzeitig in die Gaststube zu tragen? Oder sogar … lassen Sie mich verrückt sein …«, er blickt an die Decke wie Karl Lagerfeld, wenn er ein Ballkleid für Claudia Schiffer visioniert, » … sogar vier Teller auf einem Tablett zu nehmen?«
    Auweia. Frau Jirgl sieht ihn säuerlich an, rührt sich aber nicht. Er nimmt ein Tablett und fängt an, mehrere Teller daraufzuladen. Die Ader an seiner Schläfe ist kurz davor zu platzen.
    » Hier, Frau Jirgl! Sehen Sie? Meh-re-re Teller! Auf einmal!«
    Er hält ihr das beladene Tablett hin, sie nimmt es und zieht beleidigt von dannen, mit einem Gesicht wie ein Veganer mit tragbarem Würstchengrill.
    » Und wenn Sie fertig sind – hier gibt es noch jede Menge zu spülen!«, ruft er ihr hinterher.
    Ich muss sagen: Nett ist er nicht, unser neuer Koch, aber wie er Frau Jirgl anpackt, gefällt mir.
    Überhaupt nicht gefällt mir hingegen der Blick, mit dem er jetzt mich ansieht.
    » Ach, und eins noch, Sophie«, sagt er, und ich ziehe den Kopf ein für die nächste Predigt.

22
    Ich stehe an der Schneidemaschine und schiebe ein großes Stück Schinkenspeck vor und zurück, die Scheiben fange ich mit der rechten Hand auf und arrangiere sie hübsch auf einer Platte. Nick hat mich darum gebeten, zumindest an den Vormittagen freizubekommen – um Frühstück zu machen, bräuchten wir keinen Koch, hat er gesagt, das sei doch kein großes Ding. Und er hat ja recht, wir brauchen keinen Koch, um ein bisschen Brot aufzuschneiden, Kaffee zu kochen und frische Milch in kleine Kännchen zu füllen.
    Nick hat immer recht. Er ist erst seit drei Tagen da, und trotzdem liegt er mit allem, was er sagt, richtig. Er erkennt unsere Fehler und erklärt uns, wo wir uns verbessern müssen. Er spornt uns an und ist ehrgeizig. Er schneidet Zwiebeln erst quer ein, dann längs und erst dann in Würfel. Seit er kocht, loben die abreisenden Gäste auch wieder das Essen, ganz so wie früher, als Tante Johanna noch gelebt hat. Und das völlig zu Recht. Seine Menüs sind fantastisch, irgendwie traditionell, aber gleichzeitig mit modernem Einschlag, nicht schwer, sondern mit Esprit. Man merkt in jeder Sekunde, dass er Profi ist. Zum Beispiel hat er die Käseknödel, die es gestern als Vorspeise gab, als Soufflé zubereitet. Sie haben so ähnlich geschmeckt wie die von Tante Johanna, waren aber nicht fest, sondern ganz locker und luftig. Und er gibt nicht nur Zitronenschale ins Gulasch, sondern auch etwas Knoblauch und einen Hauch von Chili, ganz wenig nur – wirklich sehr apart. Das Einzige, das man ihm vielleicht vorwerfen könnte, ist, dass er seine Logistik nicht so richtig unter Kontrolle hat, denn er muss jeden Morgen hinunter ins Tal, weil er irgendetwas vergessen hat.
    Und dann ist da noch eine andere Sache … Zwischen uns stimmt es immer noch nicht.
    Ich habe ja die ganze Zeit gehofft, einfach über unsere gemeinsame Nacht hinweggehen zu können. Ich habe versucht, die Anspannung zwischen uns wegzulachen, wirklich. Ich habe versucht, ihm zu zeigen, dass ich seine Arbeit schätze, ich habe sein Essen gelobt und die Art und Weise, wie er alles auf den Tellern arrangiert. Aber trotzdem merke ich, wie wenig er mich leiden kann. Was dazu führt, dass es mir immer schwerer fällt, freundlich zu ihm zu sein. Ist ja auch kein Wunder. Wem fällt es schon leicht, jemandem ein Lächeln zu schenken, der einfach nicht

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