Liebe und Vergeltung
Wertvolles vorhanden, das sich zu einem guten Gesamteindruck fügt. Sulgrave Manor ist wirklich ideal für Ihre Zwecke geeignet.“
„Ich hoffe, sobald es mir gehört, werden Sie mir bei den notwendigen Veränderungen beratend zur Seite stehen“, erwiderte der Prinz. „Wollen wir uns jetzt noch die obere Etage ansehen, oder sind Sie schon zu müde?“
Unschlüssig warf Sara einen zweifelnden Blick auf die vielen Stufen des marmornen Treppenhauses.
Mikahl bewunderte ihr Profil, die klassisch schöne Linie des feingeschnittenen Gesichtes und grazilen Halses, und jäh überkam ihn Verlangen nach ihr. Aber er ermahnte sich, besonnen zu bleiben, atmete tief durch und sagte lächelnd: „Ich werde Ihnen die Mühe ersparen, Madam.“
Ehe sie wußte, wie ihr geschah, hatte er sie auf die Arme genommen und trug sie die Treppe hinauf. „Hoheit!“ erwiderte sie verwirrt. „Bitte, setzen Sie mich ab! So erschöpft bin ich wirklich noch nicht!“
„Das mag sein“, entgegnete er. „Ich finde jedoch, Sie sollten Rücksicht auf das überanstrengte Bein nehmen.“
„Sie sind unverbesserlich!“ meinte Sara kopfschüttelnd. „Aber hoffentlich niemals langweilig.“
„Einen Mann wie Sie kann man nicht langweilig finden.“ „Vielen Dank für das Kompliment. Ich gebe es Ihnen gern zurück“, erwiderte Mikahl lächelnd, stellte Lady Sara im Ballsaal auf die Füße und reichte ihr den Arm.
Sprachlos blickte sie sich in dem monumentalen Raum um. Weiße Marmorsäulen trugen in doppelter Reihe das von einem breiten Flachrelief geschmückte Mezzaningeschoß. Kleine, zierlich geschwungene Baluster bildeten die Begrenzung zwischen den oberen Säulen, auf denen eine unübertrefflich schöne, über und über mit vergoldeten Schnitzereien ausgestaltete Decke ruhte. In den Wänden eingelassene Spiegel warfen das Bild der aufstrebenden Säulen auf mannigfache Weise zurück und gaben dem Saal zusätzliche Weite. Die durch die bunte Glaskuppel vielfältig gebrochenen Sonnenstrahlen flirrten über den Marmorboden und ließen das sternförmige Muster in den leuchtendsten Farben erstrahlen. „Sehr wirkungsvoll!“ sagte Mikahl beeindruckt.
„Ja“, stimmte Lady Sara zu. „Das ist der ideale Rahmen für glanzvolle Festlichkeiten.“
Durch ein nicht minder imponierendes Vestibül kam man in eine anschließende Galerie. In den Fensternischen luden Ruhebänke zum Verweilen ein, und an der gegenüberliegenden Wand waren Sessel um kleine Tische gruppiert.
Langsam an den Gemälden vorbeischlendernd, erkundigte sich Lady Sara: „Gehören die Bilder zum Inventar?“
„Nicht alle“, antwortete Prinz Balagrini. „Die Portraits der Vorfahren möchte der Besitzer behalten. Sie sollen nach Amerika verschifft werden. Leider!“ fügte er bedauernd hinzu. „Gegen einige respektable Ahnen hätte ich nichts einzuwenden.“ Er wandte sich ab und trat zu einem der Sprossenfenster. Weit schweifte der Blick über die gepflegten Gartenanlagen und den zwischen Bäumen eingebettet liegenden See zu den sanft gewellten Hügeln am Horizont. Sulgrave Manor und die Landschaft der Umgebung verströmten einen Zauber, der Mikahl erneut gefangennahm und ihn alles andere vergessen ließ.
„Dieses Haus hat Sie in seinen Bann gezogen, nicht wahr?“ Er schrak leicht zusammen, da er Lady Sara nicht kommen gehört hatte. „Ja“, gestand er. „So könnte man es ausdrük-ken.“ Er versuchte zu ergründen, warum er so beeindruckt war, und fand keine Erklärung. Selbst wenn es ihm klargewesen wäre, hätte er es wahrscheinlich nicht laut geäußert. „Ich glaube, da Sie ein Leben in solchem Stil gewohnt sind, ist für Sie vieles einfach selbstverständlich. Der Liebreiz der Natur, zum Beispiel, oder die Möglichkeit, Gerechtigkeit finden und in Frieden leben zu können.“
„Ja“, stimmte Lady Sara zu und setzte sich auf die Polsterbank. „Manches nimmt man wirklich für gegeben und weiß es nicht mehr zu schätzen. Aber Sie sind doch auch ein vermögender Mann, und Alastair hat mir erzählt, daß Ihre Heimat viel Schönes zu bieten hat. Bedeutet England Ihnen denn mehr?“
„Das wohl nicht“, antwortete Mikahl ruhig und nahm neben Lady Sara Platz. „Es hat seinen eigenen Reiz. Man kann es nicht mit Kafiristan vergleichen.“ Nachdenklich schaute er sie an. Sie war die geborene Dame, kühl und beherrscht. Nur aus den braunen Augen sprach Wärme. Er bewunderte die selbstbewußte Ausstrahlung und stille Kraft, die ihr eigen waren. Sie verkörperte
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