Liebe und Vergeltung
Dann kann sie selbst entscheiden, was sie davon zu halten hat.“
Auf den Gedanken war Mikahl nie gekommen. Er wog ihn einen Moment ab und entschied sich dann gegen diese Möglichkeit. „Ich fürchte, Lady Sara würde mir nicht glauben“, wandte er ein. „Weldons Verbrechen sind zu ungeheuerlich, zu abstoßend und widerwärtig, als daß ein lauterer Mensch sie sich vorstellen könnte. Inzwischen habe ich einige Beweise in der Hand, doch zum größten Teil sind es komplizierte Aufstellungen über Weldons finanzielle Transaktionen, die kein leicht überschaubares Bild des von ihm verursachten Leides geben. Jedenfalls dürften sie nicht genügen, Lady Sara zu einem Bruch des Heiratsversprechens zu veranlassen.“
„Hm, ich kann Sir Charles nicht leiden“, sagte Alastair stirnrunzelnd. „Aber ist der Mann wirklich so schlimm, wie du ihn
hinstellst?“
„Selbst deine Fantasie würde nicht genügen, dir auszumalen, welcher Verbrechen er sich schuldig gemacht hat“, antwortete Mikahl hart. „Und du bist weitaus welterfahrener als Lady Sara. Siehst du, obgleich du weißt, daß ich vertrauenswürdig bin, zweifelst du nun an meinen Worten! Wie soll ich dann jemanden überzeugen, der so arglos und gutgläubig ist wie deine Cousine?“
„Ich kann deinen Einwand verstehen“, räumte Alastair achselzuckend ein, „fände es jedoch besser, wenn du dich näher über Weldons Aktivitäten äußern würdest. Du wirst gute Gründe haben, es nicht zu tun. Wie ist dann deine Bemerkung zu verstehen, daß du die Hoffnung noch nicht aufgegeben hast, Sara anderen Sinnes zu machen?“
„Wahrscheinlich werde ich bald im Besitz von stichhaltigem Beweismaterial sein“, log Mikahl. „Ich möchte es ihr in deinem, ihres Vaters und Weldons Beisein präsentieren. Dann hat ihr Verlobter Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Du kannst mit dem Duke of Haddonfield darauf achten, daß er deine Cousine nicht unter Druck setzt. Kann ich mich darauf verlassen, daß ich deine Unterstützung habe?“
Prüfend schaute Alastair den Freund an. „Ja“, willigte er ein. „Dagegen läßt sich nichts sagen. Ich verspreche dir, mein Möglichstes zu tun, dir behilflich zu sein.“
„In diesem Sinne laß uns auf Lady Saras glückliche Zukunft trinken“, erwiderte Mikahl lächelnd, hob das Glas und leerte es bis zur Neige.
Ganz gleich, wie die Dinge sich gestalteten, er würde Sara und Weldon um jeden Preis auseinanderbringen. Selbst wenn es auf Kosten seiner Freundschaft zu Lord Alastair Carlisle geschah und Lady Saras makelloser Ruf besudelt wurde.
12. KAPITEL
„Du tanzt ausgezeichnet, Lady Weldon!“
„Noch bin ich nicht deine Gemahlin, Charles“, erwiderte Sara lachend.
„Aber bald! Amüsierst du dich gut heute abend?“
Sie war nicht unzufrieden, seine Gattin zu werden. Er war ein attraktiver Mann und machte eine exzellente Figur in dem schwarzen Abendfrack, mit einem wie immer tadellos geschlungenem Krawattentuch über dem plissierten Hemd, weißem Gilet und straff sitzenden schmalen Hosen. Das an den Schläfen leicht silbrig schimmernde, wellige zurückgekämmte Haar verlieh ihm ein distinguiertes und dennoch jugendliches Aussehen.
„Ja, sehr!“ antwortete Sir Charles lächelnd. „Es war reizend von deinem Cousin, uns zu Ehren diesen Ball zu veranstalten.“ „Alastairs Mutter gebührt das größte Lob“, erwiderte Lady Sara und schaute zu ihrer schlanken blondhaarigen Tante hinüber, die vor dem Kamin stand und wohlwollend die festlich gewandeten Gäste beobachtete. Noch immer war sie eine schöne Frau, obwohl sie die Fünfzig bereits überschritten hatte. Sara konnte gut verstehen, warum der Duke of Windermere Marguerite Montgomery geheiratet hatte. Sie bedauerte nur, daß ihre Mutter, die der Tante so ähnlich gewesen war, nicht mehr lebte und dabei sein konnte, wenn ihre Tochter Sir Charles Weldons Gemahlin wurde.
Die Herzogin hatte bemerkt, daß die Nichte sie ansah, und lächelte.
Sara nickte ihr zu und verlor sie dann beim Tanzen aus den Augen. „Sie hat zwar freiwillig auf ein glanzvolles gesellschaftliches Leben in der Stadt verzichtet, um bei meinem Onkel in Norfolk zu sein“, sagte Sara schmunzelnd, „aber hin und wieder muß sie aller Welt beweisen, daß sie die perfekte Gastgeberin ist.“
„Ich stimme dir zu“, erwiderte Charles und fand den Gedanken höchst erhebend, eines Tages mit der Duchess of Windermere verwandt zu sein. „Du wirst sie jedoch übertreffen.“ „Ich werde mein Möglichstes
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