Liebe und Vergeltung
tun“, versprach Sara, erfreut über die Schmeichelei. In den vergangenen Wochen waren Charles und sie gut miteinander ausgekommen. Nachdem sie den Umgang mit Mikahl, Prinz Balagrini von Kafiristan, auf ein gesellschaftliches Mindestmaß beschränkt hatte, waren die zwischen ihr und Charles zu Beginn des Sommers bestehenden Spannungen geschwunden.
Der Walzer klang aus, und Charles verneigte sich. „Wer ist der Glückliche, dem du den nächsten Tanz versprochen hast?“ fragte er charmant.
„Heute abend bist du ein Schmeichler!“ antwortete Sara und lächelte schelmisch. „Nein, ich werde jetzt nicht tanzen, weil ich mit Tante Sylvia sprechen möchte. Ich habe sie seit Monaten nicht mehr gesehen.“
„Dann entschuldige mich bitte“, erwiderte Charles und schüttelte sich in gespieltem Entsetzen. „Deine Großtante flößt mir stets einen Schrecken ein. Wir sehen uns dann zum letzten Tanz vor dem Souper.“
„Ja, bis später“, stimmte Sara zu und machte sich zum Kartenzimmer auf, wo sie die Dowager Duchess of Windermere gewiß antreffen würde. Ihr Lächeln schwand, während sie sich durch den Ballsaal bewegte, Gäste begrüßte und Glückwünsche zu ihrer bevorstehenden Vermählung entgegennahm.
Unwillkürlich dachte sie an ein anderes Fest, bei dem Prinz Balagrini sie überredet hatte, wieder zu tanzen. Seit dem Ausflug nach Sulgrave Manor war sie ihm wiederholt bei Diner dansants und Bällen begegnet. Jedesmal war bei ihr der Eindruck entstanden, er wäre ihr nicht gram, daß sie sich den näheren Umgang mit ihm verbeten hatte. Sie waren zueinander fast wie Fremde geworden.
Natürlich hatte es sie erleichtert, daß er sie nicht mehr aufsuchte. Sie hatte das innere Gleichgewicht zurückgewonnen und konnte sich unbeschwert den Hochzeitsvorbereitungen widmen. Sie hatte die Aussteuer in Auftrag gegeben, Einladungen verschickt und mit Charles’ Tochter über die Umgestaltung des Zimmers gesprochen, das Eliza bewohnen sollte, sobald sie wieder beim Vater lebte. Und sie hatte die harmlosen Küsse ertragen, die Charles ihr vor dem Abschied gab, wenn er sie nach Haddonfield House begleitete.
Bei jedem neuerlichen Wiedersehen mit Prinz Balagrini merkte sie jedoch, daß sein Verhalten ihr einen Stich gab. Sie hatte angenommen, ein besonderes Band der Freundschaft könnte sie und ihn verbinden, weil es ihm gelungen war, sie hinsichtlich der Behinderung von ihren Ängsten zu befreien. Es war nicht zu übersehen, daß sie sich geirrt hatte. Sein Benehmen bestätigte, was sie von Anfang an befürchtet hatte. Nur in dem Glauben, sie wäre ein leichtes Opfer, hatte er sich um sie bemüht und das Interesse an ihr verloren, als sie sich widerspenstig zeigte. Gedankenlos hatte er ihr Leben durcheinandergebracht und sie dann vergessen. Sie konnte es ihm jedoch nicht verargen, da sie nur durch ihn reifer und selbstbewußter geworden war.
An diesem Abend hatte sie ihn nur von fern gesehen. Er war spät gekommen und sogleich von Damen umringt worden. Vielleicht war die eine oder andere sogar seine Geliebte. Sara schüttelte über sich selbst den Kopf und ermahnte sich, in schicklicheren Bahnen zu denken. Prinz Balagrini hatte keinen Platz in ihrem Leben, noch würde er ihn je haben.
Seit er in England war, hatte Mikahl gewußt, daß er dem Ziel unaufhörlich näher kam. Und nun war der Augenblick gekommen, den ersten harten Schlag gegen den Feind zu führen. Es freute ihn, daß Weldon die Sache nicht als Kriegserklärung erkennen würde. Mikahl war gespannt und erregt wie ein Soldat vor der Schlacht, während er durch den Ballsaal schlenderte und sich höflich entschuldigte, wenn jemand ihn ansprach und aufhalten wollte.
Alastair sah ihn sich nähern und ging ihm entgegen. „Hast du den Beweis, auf den es dir ankam?“ erkundigte er sich mit gedämpfter Stimme.
„Ich glaube, ja“, antwortete Mikahl halblaut. Alastair war der unberechenbarste Faktor bei dem, was bald geschehen sollte. Er würde es sehr übelnehmen, daß der Freund ihm nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Ihm zuliebe nahm Mikahl sich vor, zunächst zu versuchen, Lady Sara mit Worten umzustimmen. „Ich werde deine Cousine in die Bibliothek bitten und ersuchen, mich in Ruhe anzuhören“, fuhr er in verhaltenem Ton fort. „Laß mir eine halbe Stunde, damit ich genügend Spielraum habe, Lady Sara von der Sinnlosigkeit der beabsichtigten Ehe zu überzeugen. Sollte nach Ablauf dieser Zeit keiner von uns beiden die Bibliothek verlassen, komm bitte mit
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