Liebe und Völkermord
so lange mit den Lehren des Islam zu indoktrinieren, bis sie freiwillig zum Islam konvertieren würde. Die Religion nahm schon seit den frühen Tagen ihrer Kindheit eine wichtige Rolle in ihrem Leben ein. Fünf Mal am Tag betete sie gen Mekka. Doch größer als das war ihre Frömmigkeit nicht. Auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen konnte, eine gute Muslimin war sie nicht. Sie fluchte oft und beschimpfte ihren Mann sehr oft. Nahezu jeder Mann und jede Frau, ob er nun zu ihrer Familie gehörte oder ein Fremder war, stand auf ihrer schwarzen Liste. Als junges Mädchen hatte sie ihren Mädchenfreundeskreis angeführt, obwohl sie die kürzeste unter ihren Freundinnen war. Sie war rebellisch gewesen und ließ sich selbst von ihren Eltern nichts verbieten. Jedoch blieb sie in Bezug auf die Liebe anständig. Mahmud war der erste und einzige Mann in ihrem Leben. Viele Männer hatten um sie geworben, doch sie hatte einem jeden von ihnen eine Abfuhr erteilt. Nur Mahmud hatte sich in ihren Augen als Mann reinen Herzens herausgestellt. All ihre Freundinnen hatten sie damals um diesen guten Fang beneidet. Doch jene Tage waren nun lange vorbei und sie hatte große Ringe unter den Augen und einige Falten im Gesicht bekommen. Jeden Tag sehnte sie sich so sehr nach jenen herrlichen Tagen ihrer Jugend. Sie war nicht mehr jung und würde schon bald alt sein, eine alte Frau, was sie sich nie hatte vorstellen können. Dies deprimierte sie.
Nun schaute sie Maria an und sah sich selbst in ihr. Um jeden Preis wollte sie sie bei sich behalten. Von nun an sollte sie zu ihrer Familie gehören. In ihr sah sie die Tochter, welche sie sich immer sehnlichst gewünscht hatte. „Ich habe dich schon oft gesehen, aber ich weiß nicht genau, wessen Tochter du bist.“
„ Ich bin die Tochter von Isa, dem Schafhirten und Witwer.“
Fatimas Kinn hing herunter. Sie war schockiert. Dieses Mädchen war also die Tochter des Feindes ihres Mannes, von jenem Isa, welcher ihnen das Weideland im Norden nicht abtreten wollte. Nun fragte sie sich, wieso ausgerechnet die Tochter dieses Mannes von ihrem Sohn gerettet worden war. „Woher kennst du Ali?“
„Ich kenne ihn nicht, nur vom Sehen. Ich war am Brunnen, um Wasser zu holen, als er vorbeikam. In diesem Moment griffen die Soldaten unser Dorf an und er ergriff meine Hand und nahm mich mit sich.“
Marias Herz schlug immer schneller. Sie schaute die ganze Zeit über auf den Boden, sie wagte es nicht, der Frau ins Gesicht zu schauen.
Fatima war nun wieder enttäuscht, denn, wie es schien, hatte Ali das Mädchen nur zufällig gesehen und ihr nur aus Mitleid geholfen. Zu Isa wollte sie keinen Kontakt pflegen, das hatte sie vor einem Jahr vor Mahmud geschworen. Nun hatte sie eine Abneigung gegenüber Maria, doch hasste sie sie nicht, dafür war Maria zu liebreizend. Sie erhob sich von ihrem Platz und verließ den Raum in Richtung Küche.
Maria blieb verwirrt sitzen. Sie fragte sich, ob sie die Herrin des Hauses auf irgendeine Weise verärgert hatte. Dann beruhigte sie sich, ihr kam wieder in den Sinn, sie war eine Christin, eine Aramäerin, das war nun einmal der Punkt, welcher sie voneinander trennte. Fatima hingegen machte das Feuer mit dem Streichholz an und setzte die Kanne auf die Platte. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, und am besten konnte sie bei einem guten Becher Tee nachdenken.
Maria blieb auf ihrem Platz sitzen. Draußen war es inzwischen stockdunkel geworden. Ohne Kerzenlicht oder eine Fackel konnte sich kein Mensch draußen bei Dunkelheit bewegen. Mondlicht gab es hier nicht. Diese Dunkelheit konnte auch einem jungen ungestümen Mann bisweilen Angst einflößen.
Die Haustür öffnete sich. Mahmud und Ali kehrten zurück. Sie setzten sich auf die Matte gegenüber von Maria hin, von Maria aus gesehen, saß Ali auf der linken Seite. Ali schaute sie ab und zu schüchtern an. In der Gegenwart seiner Eltern schämte er sich zu sehr und zeigte seine wahren Charaktereigenschaften nicht offen.
Ihre Blicke trafen sich. Sie schwiegen. Maria vermittelte ihm, sie fühle sich unwohl im Hause seiner Eltern. Ali verstand den Ausdruck in ihrem Gesicht.
Fatima betrat den Raum, in ihren Händen trug sie vier Becher. Sie legte sie vor einem jeden auf den Boden hin. Danach holte sie die Kanne und das Brot aus der Küche herbei. Mahmud nahm die große Scheibe selbstgemachtem Brot und teilte sie entzwei. Er biss hinein und schluckte es herunter, als habe er seit einigen Tagen nichts gegessen. Während er
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