Liebe und Völkermord
ungläubig an. „Was ist so witzig, du Kuh?“
„Du bist ein Ochse! Das ist so witzig!“
„ Na, warte!“
„ Ey, lass sie in Ruhe!“
Aziz stellte sich vor den Sohn des Bürgermeisters von Badibe. Johannes holte mit seiner rechten Hand aus, um zuzuschlagen, doch ließ er sie wieder fallen. Seine Arme schmerzten immer noch von den Schlägen seines Vaters. Er wollte eine weitere Schlägerei vermeiden. Aziz war zwar weitaus schwächer als er, doch in diesem labilen Zustand hätte der kleine Neffe von Matthias nur einen Treffer eines Hiebes gebraucht, um seinen Rivalen zu Boden zu strecken.
Johannes trat zurück und ließ sich auf den Boden fallen. Er kam direkt auf einem der Sträucher auf und schrie laut auf. Das Mädchen lachte wieder, doch Johannes ließ sich diesmal nicht von ihr provozieren.
Aziz stand aufrecht genau vor ihr. „Wisst ihr, Johannes hat Glück, dass er noch so jung ist. Wärst du erwachsen, dann hätten sie dich bestimmt dem Wesir ausgeliefert. Danke Gott, dass sie dich verschont haben!“
„Das wusste ich doch“, meinte Magdalena.
„ Du wusstest das?“, fragte Aziz sie ungläubig.
„ Ja! Glaubst du etwa, sie würden dem Moslem ein Kind übergeben? Ich bin klüger als ihr glaubt.“
„ Und sehr hübsch“, fügte Aziz hinzu und lächelte sie freundlich an. Sie lächelte zurück. Johannes schaute Aziz verächtlich an. „Mein Vater ist der Muchtar unseres Dorfes. Und was ist dein Vater?“
„ Deinen tollen Vater kann niemand leiden!“
Das Mädchen kicherte, hielt sich dabei ihre linke Hand vor ihrem Mund. Sie amüsierte sich, wenn sich die Jungen des Dorfes ihretwegen stritten. Ganz besonders wenn es aus Eifersucht geschah.
Der sitzende Junge seufzte.
Aziz beugte sich vor zu Magdalena und schnüffelte an ihrem Kleid. „Du riechst so gut.“
Sie lächelte. „Ich muss wieder zurück. Meine Mutter sucht bestimmt schon nach mir.“
Sie stand auf, gab Aziz einen Kuss auf seine linke Wange und rannte davon. Der Liebestrunkene blieb genau dort erstarrt stehen. Johannes guckte ihn immer noch verächtlich an.
„Hast du das gesehen? Sie liebt mich! Sie liebt mich. Und nicht dich!“
„ Schön für dich. Wann ist eure Hochzeit?“
„ Siehst du, mit deiner Art wirst du nie eine Frau bekommen. Ich habe es dir doch gesagt!“
„ Nerv mich nicht, Junge!“
„ Und zudem bist du ungebildet. Welche Frau will denn heutzutage noch einen Ungebildeten?“
„ Halt's Maul, habe ich gesagt!“
Johannes erhob sich, sein rechtes Bein schmerzte, er humpelte. „Komm her, du Zwerg! Dir zeig ich es!“
„Ja, genau, du kannst immer nur zuschlagen!“
Der Sohn des Bürgermeisters stürzte sich auf ihn. Aziz fiel zu Boden, er wurde überrascht vom Raufbold. Johannes packte ihn an seinen Schultern und drückte ihn gegen den Boden. Dann ballte er seine rechte Hand zu einer Faust und verpasste ihm einen Schlag ins Gesicht. Aziz schrie laut auf. „Hör auf! Lass mich in Ruhe!“
Johannes schlug noch einmal zu. Aus Aziz' linker Wange trat Blut aus.
Der tobende Junge hielt inne. Er schnaubte. Große Schweißtropfen flossen von seiner Stirn auf Aziz' Brust herab. „Wage es nicht noch einmal, mich so zu beleidigen! Sonst bringe ich dich um!“
Aziz' Augen waren geschlossen. Er keuchte. Die obere linke Seite seines weißen Oberhemdes, oberhalb seiner Schulter, war gerissen. Er wollte eigentlich weinen, doch hielt er seine Tränen zurück. Er hasste diesen Jungen. Noch nie hatte es dieser Johannes gewagt, so weit zu gehen.
Johannes stieg von ihm herab. Er trottete zurück auf seinen Platz auf dem Boden, genau auf dem Strauch.
Aziz richtete sich auf. Er saß auf dem Boden, sein Gesicht in Richtung von Johannes gewandt. Er wischte sich mit der Oberfläche seiner linken Hand das Blut von der Wunde seiner linken Wange ab. Er keuchte und atmete schwer.
Johannes beobachtete ihn. Er hatte die Beherrschung verloren. Es tat ihm jetzt leid, doch wollte er kein Zeichen der Schwäche gegenüber seinem Kontrahenten zeigen. Nicht die verbalen Provokationen hatten ihn gereizt sondern die Abweisung der Magdalena.
„Ich werde nie wieder mit dir reden! Du bist gestorben für mich! Komm nie wieder in meine Nähe!“
Der Schläger schaute ihn nicht mehr an. Er umfasste mit den Fingern seiner linken Hand die Oberfläche seiner rechten Hand. Sie war ganz rot.
Mühsam erhob sich Aziz, er taumelte und fiel zu Boden. Er versuchte es noch einmal, stand dann aufrecht und schritt langsam vorwärts die Anhöhe
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