Liebe, unendlich wie das Meer
Schwächen anvertraute …
Er nahm einen großen Schluck Wein. „Ich weiß nie, was ich sagen soll. In Gesellschaft anderer, meine ich. Für Small Talk habe ich einfach kein Talent, mir fällt rein gar nichts ein. Deshalb bin ich so gern auf dem Meer. Da muss ich nicht reden. Außerdem starren mich die Leute an Land immer so an, als wäre ich irgendwie anders, und das ist einfach nervig.“
Ach du liebe Güte. Alex Moorehouse war schüchtern?
Da musste sie wohl alles, was sie über ihn zu wissen glaubte, revidieren. Natürlich war er trotzdem ein harter Bursche, dessen männliche Kraft sinnlich und gefährlich zugleich wirkte. Aber dass er auch verletzlich war, machte ihn menschlicher – und unglaublich sexy.
Als er unruhig auf dem Stuhl herumrutschte, merkte sie, dass sie ihn schon viel zu lange anstarrte. Schnell senkte sie den Blick.
„Reese und ich sind so gut miteinander ausgekommen, weil er mich verstanden hat. Er liebte die ganze Aufmerksamkeit an Land, die Partys, die Interviews, die Fans. Mir war das alles zu viel. So waren wir ein perfektes Team“, fuhr er fort.
Seine Worte versetzten Cass einen Stich. Die Partys. Die Fans. Ja, ihr war irgendwann klar geworden, wie sehr Reese diese Art von Aufmerksamkeit genoss.
Einmal hatte er sie von Australien aus angerufen, und sie hatte im Hintergrund Musik und Gelächter gehört. „Nur eine von diesen Siegesfeiern nach einem erfolgreichen Rennen“, hatte er erklärt. Kurz darauf klingelte das Telefon wieder, und bevor sie sich überhaupt melden konnte, hatte Reese mit verführerischer Stimme gesagt: „Wir treffen uns in zehn Minuten oben. Du weißt ja, welches Zimmer.“ Danach hatte er gleich aufgelegt.
Und nie gemerkt, dass er die Wahlwiederholungs-Taste gedrückt hatte statt der Kurzwahl, die er offenbar für seine neueste Flamme einprogrammiert hatte.
Zuerst hatte sie ihn zur Rede stellen wollen, es dann aber doch gelassen. Damals war es ihr wichtiger gewesen, ihr Leben mit Reese nicht zu gefährden.
Jetzt wünschte sie sich oft, sie hätte nicht geschwiegen. Bewusst eine Lüge zu leben machte auch nicht wirklich glücklich.
Als Alex ihr Wein nachschenkte, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. „Du vermisst ihn bestimmt sehr“, bemerkte sie.
„Oh ja. Er war nicht nur mein Segelpartner, sondern mein bester Freund.“
„Als du nicht zur Beerdigung gekommen bist, wusste ich, dass du ernsthaft verletzt warst.“
„Ich konnte einfach nicht. Aber ich habe gehört, dass es eine sehr schöne Trauerfeier war.“
„Ja. Sie hätte ihm gefallen. So viele Menschen und bewegende Worte. Er wurde von so vielen geliebt. Ich habe Briefe aus aller Welt bekommen. Er hatte überall Freunde.“
Nach langem Schweigen fragte Alex: „Wie kommst du ohne ihn klar?“
„Es geht. Ich gewöhne mich langsam dran.“
Er warf ihr einen seltsamen Blick zu.
„War das die falsche Antwort?“, murmelte sie.
„Nein. Ich habe wohl nur etwas anderes erwartet.“
„Dass ich ohne ihn nicht leben kann?“, riet sie traurig.
„Ja, vielleicht.“
Cass schob den Teller von sich. „Er hat mir sehr viel bedeutet, und ich vermisse ihn natürlich.“
Aber trotzdem war ihr Leben jetzt nicht zu Ende. Das kam ihr selbst manchmal wie ein Verrat vor, als betrüge sie ihn, so wie er sie betrogen hatte.
„Er hat immer von dir gesprochen“, sagte Alex. „Auf der Jacht. Am Abend, wenn die Crew sich zurückgezogen hatte, saß er mit mir in der Kajüte und hat von dir erzählt.“
„Wirklich?“
„Wieso überrascht dich das so?“
Weil er ja wohl kaum mit anderen Frauen geschlafen hätte, wenn er mich wirklich so geliebt hätte, dachte sie. Wieso wurde ihr das erst jetzt klar, wo sie nicht mehr mit ihm darüber reden konnte?
Vielleicht, weil sie in seiner Nähe nie dazu gekommen war, sich über irgendetwas Gedanken zu machen. Mit Reese bestand das Leben aus Auftritten, großen Ereignissen, Abenteuern. Und dann hatte sie ja auch noch ihre eigene Arbeit.
„Er hat auch von dir gesprochen“, erzählte sie. „Wie du die Dinge anpackst und wie sehr er dich respektiert. Er sagte mal, du wärst der Bruder, den er nie hatte, der Sohn, den er sich wünschte, und der Vater, den er zu früh verlor.“
Als sie aufblickte, wirkte Alex’ Gesicht wieder verschlossen und düster. „Aber ich bin nichts davon“, stieß er hervor.
„Für ihn schon. Es hat mir immer leidgetan, dass er von seinem eigenen Sohn nicht so viel hielt.“
„Wie geht es Daniel?“
„Ganz gut. Er hat
Weitere Kostenlose Bücher