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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen
Autoren: Rene Freund
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unerwähnt lassen, dass ich mich selbst einer gründlichen Reinigung unterzogen habe. Da es, wie Sie wissen, im Haus selbst nur ein Waschbecken gibt und keine Dusche, habe ich mich im Regen nackt auf den Steg gestellt, mich mit der Hirsch-Seife abgeschrubbt und, falls Sie es genau wissen wollen, rasiert habe ich mich auch. Der Niederschlag war jedoch nicht stark genug, mich vom Seifenschaum zu befreien, und so bin ich in den See gestiegen, was, wie ich glaube, kein großes ökologisches Problem darstellen kann, besteht doch Hirsch-Seife meines Wissens nach nur aus natürlichen Zutaten. Nächstes Mal, so viel ist klar, gehe ich zur Naturdusche hinauf, zu dem prächtigen Wasserfall oberhalb der Hütte.
    Ihr kleines Holzhaus ist mit Putzmitteln deutlich besser ausgerüstet als mit Lebensmitteln. Von Augusts köstlichem Brot war nichts mehr übrig, und so habe ich mir erlaubt, eine halbe Packung Spiralnudeln, Ablaufdatum 11 / 1989 , zu kochen. Der erlesene Jahrgang der Nudeln konnte freilich eine gewisse Fadheit des Geschmacks nicht verbergen. Immerhin, ich bin satt, und das ist ein schönes Gefühl. Ein noch schöneres Gefühl war es, vor dem Essen echten Hunger gehabt zu haben. Ich werde die Nudeln selbstverständlich ersetzen, kann aber nicht versprechen, ob ich 1989 er auftreiben kann.
    Mit meinen Vorräten ist es jetzt vorbei. Doch das frische Wasser aus dem Brunnen rinnt Tag und Nacht, und ich habe noch etwas Tabak. August ist sehr nett, aber ich frage mich, ob ich ihn je wieder sehen werde. Er hat mir jedenfalls gesagt, wo der Weg liegt, der sicher zur kleinen Straße im Tal führt. Heute regnet es mir aber zu stark, und so werde ich zu Hause bleiben bei meinem lauschigen Feuer. Und auf den See blicken, in dem jede Sekunde tausende Tropfen landen und solcherart die Verbindung von irdischem und himmlischem Wasser vollenden. Ich könnte stundenlang zusehen, wie Wasser sich mit Wasser paart. Was ich jetzt tun werde. Ich danke Ihnen, dass Sie als brie fl iche Gesprächspartnerin für ein wenig Abwechslung in meinem Leben gesorgt haben. Ich bin mir sicher, dass ich Sie langweile, aber ich kann Ihnen versichern: Mir ist nicht langweilig. Der Stille zu lauschen, das ist das größte Erlebnis, das wir Menschen uns vorstellen können. Glauben Sie mir. Sie müssen das einmal versuchen! Und plötzlich höre ich mich und ich verschwinde. Verstehen Sie?
    Schönen Gruß
    Fred

3 . Juli

    Werte Susanne!
    Gerade geht die Sonne auf. Ich fühle mich so ausgeschlafen wie zuletzt als Teenager. Mit bescheiden gefülltem Magen und ohne Rausch ins Bett zu gehen ist wirklich großartig. Ich werde jetzt im See schwimmen und dann in den Ort hinunterwandern, weil ich sonst verhungern muss. Hätte ich mir nicht gedacht, dass August mich einfach im Stich lassen würde. Ich fand ihn eigentlich sympathisch.
    Mir ist gestern irgendwann doch langweilig geworden, und deshalb habe ich aus der reichhaltigen Hütten-Bibliothek eine der neuesten Zeitschriften gelesen, den Stern aus dem Herbst 1977 , eine tolle Reportage über die Befreiung der Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu. Dann habe ich wieder auf den See gesehen. Seltsamerweise standen da plötzlich ein paar Worte auf einem Papier. Ist das ein Haiku?

    Ein Wasserspiegel.
    Tropfenspiele.
    Regen, Regen fällt.

    Auf Wiedersehen, ich grüße Sie recht herzlich, A.F.

    PS : Glauben Sie aber nicht, dass ich wieder schreibe!
    PPS : Noch was – ich habe Ihnen von meiner Distanz zu allen Dingen und zu mir selbst geschrieben. Von meiner zwanghaften Ironie, die mir selbst am meisten auf die Nerven gegangen ist. Ich bin jetzt draufgekommen (durch Nachdenken!), dass diese Ironie im Grunde eine raffinierte Art ist, sich selbst über Gebühr ernst zu nehmen. Das heißt, ich nahm meine Sorgen ernst, meinen Pessimismus, meine Ängste und machte mich dann darüber lustig, was aber an Sorgen, Pessimismus, Ängsten nichts änderte. Ich habe den Eindruck, ich nehme mich erst richtig ernst, seit ich mich nicht mehr so ernst nehme.

    Fred faltete die verschiedenen Zettel, auf denen er seine Nachrichten an Susanne geschrieben hatte, fein säuberlich zusammen. Kuvert hatte er keines mehr gefunden, das musste er im Ort besorgen.
    Fred überlegte, ob er packen sollte, um seine paar Sachen dabei zu haben, falls er doch Lust bekommen sollte, einen Zug nach Berlin zu nehmen. Aber erstens hatte er mindestens vier Stunden zu gehen, und so eine Abreise musste doch irgendwie geplant werden. Vielleicht gab es ja in
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