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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen
Autoren: Rene Freund
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habe es mir eine Zeitlang sehr bequem in dem Glauben eingerichtet, tatsächlich keine Sorgen, keinen Groll, keine Ängste zu haben. Bis ich in dem Glauben vertrocknet oder verhungert bin. Und dann konnte ich auch nicht mehr schreiben! Aber da war es zu spät, aus eigener Kraft wieder rauszukommen. Da draußen gab es für mich keinen mehr. Den Schönwetterfreunden will man keine trüben Gedanken aufbürden. Selbst Charlotte wollte ich keine trüben Gedanken aufbürden. Aber andere als trübe hatte ich nicht. Als sie ging, fühlte ich mich einerseits erleichtert, weil ich ihr mich nicht mehr zumuten musste. Andererseits fiel das Verlassensein über mich wie eine Decke aus Blei.
    Liebe Susanne, Sie als Freundin zu bezeichnen, kommt mir vermessen vor. Aber Sie haben mich nicht vergessen. Und Sie haben auch keine Angst vor den dunklen Seiten des Lebens. Weniger jedenfalls als die meisten Menschen, die ich kenne, mich eingeschlossen. Sie wissen um die Distanz, die ich zu allen hege, auch oder vor allem zu mir selbst. Das hat sicher auch mit meiner Vergangenheit zu tun, mein Vater und so, Sie kennen das ja. Ich lebe in einem Raumanzug, gefertigt aus Ironie, genäht mit Zynismus, beschichtet mit Fremdheit. Ich komme da nur raus, wenn ich trinke oder wenn ich schreibe. Zuletzt war nur noch das Trinken geblieben.

2 . Juli

    Liebe Susanne!
    August ist nicht gekommen. Es regnet. Ich habe den gestrigen Tag damit verbracht, die Hütte aufzuräumen und gründlich zu putzen. Es ist ein Jammer, dass wir Großstadtmenschen das Vergnügen des Putzens den sogenannten Reinigungskräften überlassen. Es gibt kaum etwas Schöneres als ein großes Reinemachen! Vor allem, wenn man wie ich nichts anderes zu tun weiß und Zeit hat, sich in Details zu verlieren. Etwa Rußflecken aus dem Boden zu bürsten oder jede einzelne Lade auszuräumen, zu waschen, neu zu sortieren. Oder die Metallteile der Spüle so zu polieren, bis man sich darin spiegeln kann. Selbst das Plumpsklo hinter dem Haus wirkt nun geradezu appetitlich. Ich habe zuletzt sogar die Vorhänge gewaschen und feucht gleich wieder aufgehängt. Auch die Wolldecken sind frisch gespült. Sie trocknen hier über dem Herd, in welchem ein gemütliches Feuer vor sich hinknistert. Mit Putzmitteln ist die Hütte Ihres Vaters übrigens recht gut ausgestattet, auch wenn die meisten davon sehr altmodisch wirken. Seit Kindheitstagen habe ich keine Hirsch-Terpentinseife und kein Reinigungssoda mehr gesehen, keine Schmierseife, keine Leinöl-Politur!
    Die Hütte erstrahlt förmlich in einem neuen Licht. Die Mäuse haben die Flucht ergriffen. Alles Klein-Ungeziefer sammelte ich in einem Eimer und warf es in den See, wo Schwärme von winzigen Fischen sich gütlich daran taten. Die Hütte gehört jetzt mir. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, die Hütte gehört natürlich Ihnen. Doch putzend habe ich sie mir angeeignet. Sie bereitgemacht für Neues, was immer da nun kommen mag. Und wissen Sie, was das Beste ist: Ich selbst fühle mich gereinigt. Obwohl ich von dem vielen Staub graue Haare und eine belegte Zunge bekommen habe, fühle ich mich befreit vom Chaos, und auch von dem ewigen Lärm in meinem Kopf. Die mich umgebenden Dinge sind auf das Wesentliche reduziert. Das bringt eine ungeahnte Freiheit mit sich, und mir wird erst jetzt bewusst: Wir leben in einer Zeit der materiellen Sicherheiten, die wir allerdings permanent verteidigen müssen. Und das macht uns zu Sklaven.
    Je weniger die Dinge um mich werden, umso mehr werde ich. Wir leben doch wahrlich in einer Diktatur der Dinge! Zum Beispiel mit sprechenden Autos, die uns bevormunden. Oder mit Kühlschränken, die uns auspfeifen, wenn wir mal länger überlegen, was wir rausnehmen sollen. Alle Dinge schreien uns den ganzen Tag an! Das Radio: Dreh mich auf und hör dir was an über Finanzkrisen! Die Zeitung: Lies endlich die Mordsgeschichten, die ich dir biete. Der Fernseher: Sieh dir doch die Erdbebenopfer an, live! Der Computer: Ruf ab! Schreib! Twittere! Poste! Der Teppich: Putz mich! Das Zimmerfahrrad: Nutz mich!
    Ich habe seit drei Tagen keine Nachrichten mehr gehört. Mir scheint, die Erde steht immer noch. Hier jedenfalls tut sie das, besser denn je.
    Wenn ich in Berlin zurück bin, werde ich möglicherweise beginnen, geführte Putz-Meditationen anzubieten. Das scheint mir erstens eine Marktlücke zu sein und zweitens bin ich überzeugt, damit vielen Menschen helfen zu können.
    Um den Bericht zu vervollständigen, möchte ich nicht
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