Liebe unter Fischen
nichts machen. Dein Verlag ist im Eimer. Meine Liebe ist im Eimer. Und tschüss .« Lisi stand auf, sah ratlos um sich, weil Susanne nicht reagierte und ging dann hinter den Schreibtisch. Sie drückte Susanne einen Kuss auf die Wange und sagte: » Wird alles schon wieder werden. Irgendwann .«
Susanne griff auf die andere Tischseite, nahm den Geldschein und drückte ihn Lisi in die Hand.
Lisi sah den Fünfhunderter kurz an, dann zerriss sie ihn in kleine Stücke und verließ das Büro.
26 . Juli
Als Fred erwachte, wusste er nicht gleich, wo er sich befand. Auch in Berlin zwitscherten die Vögel – nur anders. Vor allem roch es anders. Kreuzberg roch nach Asphalt, nach Staub, Gewürzen und Benzin. Grünbach roch nach Wasser, Erde und Fichtennadeln. Fred duschte kalt, was das zur Gewohnheit gewordene morgendliche Bad im See nicht ersetzen konnte. Er hatte Kopfweh.
Fred hatte seine Wohnung unverändert vorgefunden. Klar, so lange war er nicht weg gewesen – was sollte sich groß verändert haben? Die Luft war stickig gewesen, aber das ließ sich schnell ändern. Özer hatte sein gutes Aussehen bewundert, ihm zwei Flaschen Wein und eine kleine Dose von seinem feinen, türkischen Tabak verkauft. Die Flaschen hatte Fred leider beide ausgetrunken.
Ein Kater – an dieses etwas deprimierende Gefühl konnte er sich kaum mehr erinnern. Kater sind nur dann nicht deprimierend, wenn der Abend davor lustig war. Toller Abend, sagt man sich dann. Werde eben alt, sagte sich Fred heute.
Er griff zum Hörer.
Immerhin, das Telefon haben sie mir noch nicht gesperrt, dachte Susanne, die wie jeden Morgen im Büro saß, obwohl es nicht viel zu tun gab. » Beckmann .«
Fred Firneis meldete sich zurück und bedankte sich für die Zeit auf der Hütte. Susanne war in erster Linie traurig. Dennoch freute sie sich, seine Stimme zu hören. Sie mochte diesen Firneis, obwohl sie ihn – wie alle Schriftsteller – nicht wirklich ernst nehmen konnte. Sie hörte sich seine Berichte an. Der Name Mara tauchte oft darin auf. Sehr oft sogar.
Auf dem Schreibtisch vor Susanne lagen die Teile des Fünfhunderters, den eben diese Mara zerrissen hatte. Den wird man kleben und eintauschen können, dachte Susanne, die für dramatische Auftritte nichts übrig hatte. Sie klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr ein, und während sie mit ihrer Tixorolle zur Tat schritt, kam ihr eine Idee. Eine letzte, vielleicht rettende Idee.
» Sehr kreativ war sie wohl nicht, die Zeit auf der Hütte«, seufzte Susanne.
» Die letzten Tage schon«, meinte Fred, etwas zögerlich. » Das hatte wohl auch mit Mara zu tun .«
» Das heißt, ich darf mir Hoffnungen machen? Haben Sie geschrieben, Herr Firneis ?«
» Ja. Ganz brauchbare Sachen. Sie wissen, ich bin selbstkritisch .«
» Bis zu einem gewissen Grad, ja .«
» Ich konnte plötzlich wieder schreiben .«
» Und sind es genügend Texte für ein Buch ?« Susannes Stimmung begann sich eindeutig zu bessern.
» Für ein schmales Bändchen wären es genug gewesen .«
» Was wollen Sie mit diesem Vergangenheitskonjunktiv andeuten ?«
» Ich habe sie verbrannt .«
» Scherz ?«
» Echt. Sie haben ja gesagt, Sie wollen nichts Gereimtes. Und keine Haikus und keine Beschreibungen und keine Gefühle … «
» Das habe ich nie gesagt! !«
» Ich dachte, Sie wollen eigentlich gar keine Lyrik. Nun, dann eben nicht .«
Susanne hätte am liebsten zu brüllen begonnen und diesen geisteskranken Autor beschimpft, aber sie besann sich auf ihre Stärke, nämlich einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie hatte nur die eine Chance, ihren Verlag zu retten. Und die würde sie nun ergreifen.
» Herr Firneis«, sagte sie mit eisiger Stimme. » Ich weiß, wer Mara ist. Ich weiß, wo Mara ist. Sie können die Informationen von mir erhalten. Unter einer Bedingung: Ich will die Gedichte. Arbeitstitel: Liebe unter Fischen. Jetzt ist es zehn Uhr. Sie haben nun exakt dreißig Stunden Zeit, die vernichteten Texte zu rekonstruieren oder neue zu schreiben. Und stellen Sie mir keine Fragen über Mara. Morgen erfahren Sie alles. Ich erwarte Sie morgen, am 27 . Juli, um 16 Uhr im Verlagsbüro .«
Susanne legte auf. Sie schnappte den wiederhergestellten Geldschein, um ihn auf die Bank zu tragen. Nicht auf ihre Bank. Auf eine, wo sie niemand kannte. Falls Fred tatsächlich liefern sollte, würde sie den Vertrag brechen und Lisis Identität preisgeben müssen, was sie möglicherweise die Freundschaft kosten würde. Doch im Laufe der Jahre
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