Liebe unter kaltem Himmel
Zigarren und den traditionellen schmutzigen Witzen überließ, die, so schien es mir, kaum schmutziger sein konnten als das, was ich während der letzten halben Stunde von Veronicas Konversation mitbekommen hatte.
Nachdem wir in die Lange Galerie zurückgekehrt waren, gingen einige Frauen nach oben, um sich »die Nase zu pudern«. Lady Montdore machte ein spöttisches Gesicht.
»Ich gehe morgens«, sagte sie, »und damit hat es sich. Ich muss nicht wie ein Hund in regelmäßigen Abständen nach draußen, Gott sei Dank – ich finde, etwas Gewöhnlicheres gibt es nicht.«
Falls Lady Montdore wirklich gehofft hatte, Sauveterre würde Polly in seinen Bann schlagen und ihr Gedanken an die Liebe einflößen, so wurde ihr eine herbe Enttäuschung zuteil. Kaum waren die Männer aus dem Esszimmer wieder aufgetaucht, wo sie sich eine gute Stunde aufgehalten hatten (»Diese englische Sitte«, hörte ich Sauveterre sagen, »ist schrecklich«), da umringten ihn auch schon Veronica und ihre Truppe, und er hatte gar nicht die Möglichkeit, mit jemand anderem zu sprechen. Alle führten sich auf wie alte Freundinnen, nannten ihn Fabrice und stellten tausend Fragen nach gemeinsamen Pariser Bekannten, modischen Ausländerinnen mit so altmodischen englischen Namen wie Norah, Cora, Jennie, Daisy, May und Nellie.
»Werden jetzt alle Französinnen nach englischen Dienstmädchen benannt?«, fragte Lady Montdore ziemlich unwirsch, denn es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich auf eine Plauderei mit der alten Herzogin einzulassen, da das Terrain um Sauveterre offenkundig in fester Hand war. Der schien die Situation zu genießen und sah die ganze Zeit so aus, als würde er einem unanständigen Witz lauschen, während seine zwinkernden Augen eher belustigt als begehrlich die Reihe der gezupften und geschminkten Gesichter musterten, die sich nacheinander mit auffälligem Unernst nach ihren lieben Nellies und Daisys erkundigten. Die Ehemänner dieser verschiedenen Damen, wie alle Engländer aufrichtig erleichtert über die Atempause, die ihnen die anwesende Weiblichkeit gewährte, huldigten unterdessen am anderen Ende des langen Saales dem Spiel. Zweifellos spielten sie um erheblich höhere Einsätze, als ihre Frauen gestattet hätten, und legten dabei jene solide, schwerblütige, männliche Konzentration an den Tag, die gegen jegliche Ablenkungen durch den Eros vollkommen gefeit ist. Lady Patricia begab sich zu Bett; Boy Dougdale schob sich in die Gruppe um Sauveterre, aber als er bemerkte, dass ihm dort niemand die geringste Beachtung schenkte und Sauveterre nicht einmal richtig antwortete, als er ihn nach dem Duc de Souppes fragte, sondern nur ausweichend erklärte: »Ich sehe zuweilen die arme Nina de Souppes«, da gab er mit einem gekränkten Lächeln zwischen den Mundwinkeln auf. Er kam herüber, setzte sich zu Polly und mir und zeigte uns, wie man Backgammon spielt, hielt unsere Hände umschlossen, während wir die Würfel schüttelten, rieb seine Knie an unseren und verhielt sich, wie ich fand, einfach blöhöde und lasterhaft. Lord Montdore begab sich mit ein paar anderen sehr alten Männern hinaus zum Billardtisch; er galt als der beste Billardspieler der Britischen Inseln.
Unterdessen wurde die arme Lady Montdore von der Herzogin, die vielleicht aus Widerspruchsgeist wieder in ihr heimatliches Idiom zurückgefallen war, einem ausgedehnten Verhör unterzogen. Lady Montdore sprach recht gut Französisch, aber nicht in der schrecklich vollendeten Art ihres Mannes und ihres Schwagers, und bald geriet sie über Maßeinheiten und Gewichten in ernste Schwierigkeiten; wie viel Hektar war der Park von Hampton groß, wie viel Meter maß der Turm, was würde es – in Francs! – kosten, während der Henley-Regatta ein Hausboot zu mieten, wie viele Kilometer war man hier von Sheffield entfernt? Immer wieder musste sie Boy zu Hilfe rufen, der sie selbstverständlich nie im Stich ließ, aber in Wirklichkeit war die Herzogin an den Antworten gar nicht sonderlich interessiert, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die nächsten Fragen auszuhecken. Gleich einem Sturzbach ergossen sie sich über Lady Montdore und ließen ihr nicht die geringste Chance, nach dem ersehnten Bridgetisch zu entweichen. Was für eine Art von Stromgenerator wurde in Hampton verwendet, wie hoch war das Durchschnittsgewicht eines schottischen Rothirschs, seit wie viel Jahren waren Lord und Lady Montdore verheiratet (»tiens!«), wie wurde das Badewasser erwärmt,
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